"Kein Durchgang", sagt der Ordner, von Berufs wegen ein Schrank von einem Mann. Die Anweisung gilt ihm, dem hageren Schnauzbärtigen mit dem Unterarm-Tattoo und der Fokuhila-Frisur. Der schaut verdutzt, kratzt sich am Kopf und stellt erstmal seine Aldi-Tüte auf dem roten Teppich ab - das geht natürlich auch nicht. "Nehmen Sie Ihre Tüte da weg", sagt der Ordner. Und der Schnauzbärtige sagt: "Ich wohne aber dort hinten. Ich gehe sonst immer hier durch".
Zeit für weitere Diskussionen gibt es nicht, denn schon rollt eine weitere Limousine an, Federgewicht Jeanette Biedermann steigt aus, die Fans rufen: "Jeanette" und halten ihr Stifte und Zettel entgegen, Jeanette lächelt und tänzelt im Abendkleidchen und auf Stilettos auf sie zu, der Schnauzbärtige wird samt Aldi-Tüte zur Seite geschoben.
Denn an diesem Tag regiert der Glamour: Rund 450 VIPs sind geladen zur 18. Verleihung der DIVA. Mit dem Deutschen Entertainment Preis werden Spitzenleistungen aus der gesamten Unterhaltungsindustrie gekürt. Genauso alt wie die Veranstaltung, die einst als Video-Winner-Gala begann und sich längst zu einem Eins-A-Event gemausert hat, ist der Smoking von Dieter Wedel, wie er selbst stolz verkündet: "Und ich passe immer noch rein." Der Regisseur outet sich als männliche Diva und gibt sich gelassen, als ihn ein TV-Reporter mit "Herr Dietl" anredet. Eine Verwechslung, die ihm nicht das erste Mal passiert. "Ich bekomme immer wieder Briefe, in denen es heißt, Sie machen tolle Filme, aber dass Sie sich von der Frau Ferres getrennt haben, das nehmen wir Ihnen übel", erzählt Dieter Wedel lachend. "Die Briefe leite ich dann gleich an Helmut Dietl weiter."
Inzwischen kommt eine Limousine nach der anderen an, ihnen entsteigen Nova Meierhenrich, Nina Ruge, Udo Kier, Klaus Meine, Johnny Logan, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Gottfried John, Leander Haußmann, Christine Neubauer, Jutta Speidel, Barbara Wussow, alle ein VIP-Lächeln auf den Lippen, auch wenn die prominenten Damen in ihren schulterfreien Flatter-Roben frieren.
Gummibärchen-Daueresser Thomas Gottschalk wird von den Autogrammjägern am heftigsten umjubelt, da können nur noch die hochkarätigen Gäste Vanessa Redgrave und Franco Nero mithalten. Auch wenn einige Schaulustige gar nicht wissen, wer die elegante Dame mit dem schlohweißen Haaren und der charismatische Herr mit dem stahlblauen Augen sind, aber aufgrund des großen Jubels sind sie sich einig: "Die sind irgendwer."
Redgrave verteilt Küsschen im Publikum
Das weltberühmte Schauspielerehepaar, das nach einer über 30-jährigen Trennung gerade ihren zweiten Frühling erlebt, hat nichts von der Eitelkeit der hiesigen Prominenz, sondern wirkt fast scheu, als wäre heute ihr erster Auftritt auf einem roten Teppich. Die schönste Geste des Abends kommt denn auch von Vanessa Redgrave, und zwar jenseits der großen Scheinwerfer. Hollywoods Grande Dame entdeckt zwischen all den Fans eine etwa 80-jährige Dame mit Baskenmütze, die gerade ein Foto von ihr macht, steuert auf sie zu, verbeugt sich vor ihr und gibt ihr einen Kuss auf die Hand.
Verona auf Verbal-Diät
Miss-rühr-mich-nicht-an-und-sprich-mich-erst-recht-nicht-an ist hingegen Verona Pooth, die den Presse-Parcours auf dem roten Teppich im Schumi-Tempo hinter sich bringt. Ausgerechnet Verona-schaut-mich-an-ich-bin-die-Größte! Doch, und hier sei Verständnis angebracht, wenn der eigene Ehemann just seine Firma in den Sand gesetzt hat und nun vor einer Millionenpleite steht, dann verpasst man sich eben selbst lieber einen Maulkorb. Von Verbal-Diät hält hier sonst niemand etwas.
Trotz Kino-Flop Ruhm für Avelon
Während der dreieinhalbstündigen Gala fallen der Worte genug: Lobeshymne reiht sich an Lobeshymne, Dankesrede an Dankesrede. Natalia Avelon, bekannt geworden durch die Rolle der Obermaier Uschi in "Das wilde Leben", erhält den Preis als beste Newcomerin und bedankt sich mit einem Knicks und einem Knicks und einem Knicks, Musikmanagerlegende Monti Lüftner darf in die "Hall of Fame" einziehen und freut sich, dass er mit einer "feschen, nackten Frau aus Bronze" heimgehen darf, die 14-jährige Mina, die durch einen selbst gedrehten Internet-Clip zum Popstar wurde und den Preis als "Web Artist of the Year" erhält, sagt zum VIP-Publikum: 2Ich kann leider nicht so lange bleiben wie Sie, weil ich morgen um acht zur Schule muss" - und lächelt ein schüchternes Zahnspangen-Lächeln.
Man erfährt außerdem, dass Preisträgerin Nina Hoss ("Schauspielerin des Jahres") von Laudator Michael Mendl früher "gebabysittet" wurde, dass Maximilian Schell ("Hall of Fame - Lifetime Achievement Award") einst als Hamlet auf eben dieser Bühne stand und damals von der Münchner Presse "gnadenlos verrissen" wurde, dass Franco Nero ("Hall of Fame") noch nie zuvor einen Preis in Deutschland bekam, und Vanessa Redgrave ("Hall of Fame") sich fühlt "wie in einer großen, großen Familie."
Herbig nennt Jury-Entscheidung mutig
Aber keine Feier ohne Skurilitäten. Man wundert sich, zum Beispiel darüber, dass ausgerechnet Moderator Dieter Moor, der seicht-charmant durch den Abend führt, den legendären Gastgeber Ulrich Scheele mit "Uwe Scheele" ankündigt, dass Benno Fürmann die DIVA als bester Schauspieler bekommt und dann vor allem von seinem nackten, gut gebauten Körper die Rede ist, den er bei einer wilden Verfolgungsjagd in dem Kinohit "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" zur Schau stellt.
Ebenso verwunderlich: dass Michael "Bully" Herbig für seinen Animationsfilm "Lissi und der wilde Kaiser" den Preis für die beste Regieleistung des Jahres kassiert. Das erstaunt auch den Ulk-Regisseur selbst, der noch nie einen Regiepreis verliehen bekam. "Diese Entscheidung der Jury nenne ich mutig", sagt er. Über einem Rätsel brütet auch Schauspielerin Maria Furtwängler, die die Bronzefigur für die Hauptrolle in dem TV-Zweiteiler "Die Flucht" bekommt. "Warum holt ihr die Kärtchen aus Umschlägen, wenn ihr die Preisträger schon kennt?", will die Schauspielerin von den Laudatoren wissen. Eine Antwort gibt es nicht. Jetzt ist einfach Feiern dran - bevor die Welt zur Berlinale nach Berlin guckt und München in Sachen Glamourfaktor ruckzuck den Rang abläuft.