Anzeige
Anzeige

Starfotograf Martin Schoeller fotografierte Brad Pitt und Taylor Swift – bei Merkel versagte sein Trick zum Auflockern

Martin Schoeller, ein Mann mit kurzen Dreadlocks, steht zwischen zwei seiner Fotos. Sie zeigen Brad Pitt und Taylor Swift
Martin Schoeller bei der Eröffnung seiner Ausstellung "Close Up" in Berlin
© Eventpress Kochan / Imago Images
Jane Fonda, Lionel Messi, Julia Roberts: Sie alle standen schon vor der Kamera von Martin Schoeller. Ein Gespräch über angespannte Stars, den richtigen Moment und die falsche Musik-Auswahl für Angela Merkel.
Martin Schoeller, Sie sind mit Ihrer "Close Up"-Serie ein weltberühmter Fotograf geworden. Wie viele Menschen haben Sie so fotografiert?
Mein erstes "Close Up"-Porträt war die Schauspielerin Vanessa Redgrave 1998, also vor 25 Jahren. Seitdem habe ich etwa 3000 solcher Porträts gemacht, aber nicht nur von berühmten Menschen. Es gab auch eine Serie über Obdachlose in den USA, Porträts über zwei indigene Völker, ich habe Zwillingspaare so fotografiert und Überlebende des Holocaust.
Die Technik ist immer die gleiche?
Ja. Zwei Neonlampen, immer der gleiche Hintergrund, dieselbe Sorte Kamera und ungefähr ein bis eineinhalb Meter Abstand zwischen Gesicht und Kamera.
Was sagen Sie, wenn Sie fotografieren?
Ich versuche abzulenken und den Moment aufzulockern. Oft recherchiere ich vorher, was die Fotografierten so machen, ich sehe mir deren Filme an, höre deren Musik oder lese über sie. Sehr gut ist immer, wenn sie Familie und Kinder haben, dann frage ich danach, weil jeder, der über seine Kinder spricht, dabei lächelt. Und ich habe fast immer Musik dabei, die ich abspiele, einfach um abzulenken. Das funktioniert aber nicht immer, bei Angela Merkel zum Beispiel nicht.
Was war passiert?
Ich habe sie im auf dem Flur vom Kanzleramt fotografiert, sie gab mir fünf Minuten Zeit. Und ich dachte mir, um etwas Atmosphäre zu schaffen, Musik von den Rolling Stones zu spielen, aber natürlich nicht "Angie". Sie setzte sich vor die Kamera und blickte kurz auf die Lautsprecher und meinte sehr knapp "Was soll das?" So schnell haben wir die Musik noch nie abgestellt. Ich hörte später mal, dass sie das Foto nicht besonders mochte.
Man könnte auch sagen, dass Ihre Porträts auf gewisse Weise gnadenlos sind, weil jede Pore und jede Falte in den Gesichtern zu sehen sind. Lassen sich Menschen gerne so fotografieren?
Bis auf wenige Ausnahmen lässt sich niemand gerne fotografieren. Es ist jedem unangenehm, besichtigt zu werden und niemand mag es, die Kontrolle über sein Gesicht abzugeben. Ich spüre das immer, wenn die vor meiner Kamera sehr reich oder sehr mächtig sind. Die kennen das überhaupt nicht, wenn einer wie ich ihnen sagt, wie sie sitzen sollen. Das ist für sie Kontrollverlust und für mich oft ein Kampf, die richtige, also die Frontalperspektive zu bekommen.
Welche von denen sind am schwersten zu fotografieren?
Schauspieler, eindeutig. Die sind sich ihres Gesichtes besser bewusst als die meisten anderen und sie hören nicht auf, zu schauspielern. Das ist für mich dann schwer zu durchbrechen und ist mir oft nicht gelungen. Ich habe viele fotografiert und hinterher hat mir kein Bild gefallen, weil doch immer irgendwas einstudiert und nach Pose aussah.
Sind solche großen Hollywood-Namen glücklich mit ihrem Gesicht?
Zu hundert Prozent glücklich sind es die meisten nicht. Deshalb lassen sich in Hollywood ja schon schöne Frauen, die noch jung sind, kosmetisch operieren oder mit Botox behandeln. Eitel sind wir alle, aber manche sind extrem eitel, was aber auch daran liegt, dass ihr Gesicht beruflich viel wichtiger ist, als bei uns normalen Menschen.
Wieviel Kosmetik und Make-up ist vor Ihrer Kamera erlaubt?
Ich mache überhaupt keine Anweisungen, ich sage nur, wenn es geht, so wenig Make-up wie möglich, sie sollen ja so aussehen, wie sie sind. Und zu viel Make-up ist auch nicht schön, weil es die Poren überdeckt und das Gesicht dann aussieht wie eine Maske. Bei Ivanka Trump kann man das gut sehen. Aber ich kann auch nicht sagen, bitte gar kein Make-up, weil es bei vielen schon zur Persönlichkeit gehört und das muss man akzeptieren.
Können die Fotografierten hinterher noch bestimmen, ob und was an den Bildern bearbeitet werden soll?
Nein. Wer vor meiner Kamera sitzt, weiß ja, wie die Bilder hinterher aussehen. Und ich bearbeite fast nichts, nur wenn mal Nasenhaare zu sehen sind oder ein Pickel, von dem man weiß, dass er bald wieder weg ist, retuschieren wir das. Sonst gar nichts.
Julia Roberts fotografiert von Martin Schoeller. Eine Frau in Nahaufnahme mit langen Haaren, vollen Lippen und klarem Blick
Schauspielerin Julia Roberts, aufgenommen im Jahr 2010. Alle Porträtierten blicken frontal in die Kamera, Mund geschlossen, ohne übertriebenes Lächeln oder inszenierte Posen. Das Neonlicht lässt die Augen besonders strahlen. Martin Schoeller hat jahrelang an dieser Technik experimentiert, bevor er sie 1998 bei einem Porträt von Schauspielerin Vanessa Redgrave das erste Mal anwandte. Heute ist sie sein Markenzeichen, niemand fotografiert Promis so wie er
© Martin Schoeller, AUGUST / Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Gab es mal Beschwerden?
Eigentlich nicht. Nachdem ich einmal Julia Roberts für eine Zeitschrift fotografierte, beschwerte sich ihre Agentin, dass das Bild zu sehr retuschiert sei. Ich habe geantwortet, da sei gar nichts retuschiert. Ach so, meinte sie nur.
Gibt es berühmte Menschen, die unbedingt von Martin Schoeller fotografiert werden wollen und welche, die auf keinem Fall vor Ihre Kamera wollen?
Ja, es gibt schon ein paar, die immer wieder mal fragen, aber es gibt viel mehr, die absolut nicht von mir fotografiert werden wollen. Neulich gerade eine bekannte Sängerin, es war schon alles verabredet, als es auf einmal hieß, sie habe sich doch für einen anderen Fotografen entschieden. Ich glaube, es sind auch eher Frauen, die sich mit meinen Bildern unsicher fühlen. Das liegt an der Ungerechtigkeit des Entertainment-Geschäftes, wo Frauen immer noch hauptsächlich nach ihrem Aussehen beurteilt und bewertet werden und Männer eben nicht. Deshalb ist es auch für mich schwerer, die noch nicht ganz so Berühmten, die noch hart an ihrer Karriere arbeiten, zu bekommen als die ganz großen Stars. Und da ist es egal ob Mann oder Frau, die haben mit meinen Fotos am wenigsten Probleme.
Auf Ihren Bildern wirken die Menschen gelassener, je älter sie sind.
Was ja auch daran liegen könnte, dass im Alter die Gesichtsmuskeln ruhiger werden. Aber ich fotografiere auch lieber ältere Gesichter, weil sich in denen mehr abspielt und man mehr Leben sieht.  
Kann man langweilige Gesichter aufregend fotografieren?
Darum geht es bei mir nicht. Ich will ja mit jedem Bild die Geschichte der Menschen vor der Kamera erzählen. Und das kann ein Hollywood-Star sein, aber auch ein Sport-Held, ein Obdachloser oder ein Häftling in der Todeszelle. Die haben ja alle eine Geschichte, die das Bild erzählt. Wenn ich einfach nur meine Nachbarn fotografiere, würde das niemanden interessieren.
Salman Rushdie fotografiert von Martin Schoeller, ein Mann mit Brille und leichtem Bart
Das Porträt von Schriftsteller Salman Rushdie entstand im Jahr 2018. Vier Jahre später, im August 2022, wurde Rushdie während eines Vortrags in New York von einem Mann mit einem Messer attackiert und schwer verletzt. Der 76-Jährige ist seitdem auf dem rechten Auge blind.
© Martin Schoeller, AUGUST / Courtesy of CAMERA WORK Gallery
Bei den großen Stars wie Sylvester Stallone oder Taylor Swift spürt man bei Ihren Bildern den Ruhm. Spüren Sie auch die Macht, wenn Sie Politiker wie Barack Obama oder Wirtschaftsgrößen wie Elon Musk oder Warren Buffett fotografieren?
Nein, so bin ich nicht. Mir hilft da meine Jugend und meine Schulzeit, in der sehr viel über Deutschland und die Nazi-Jahre gesprochen wurde. Das hat mich sehr beschäftigt und tut es heute noch, meine Frau ist Jüdin. Doch schon damals habe ich mich immer gefragt, wie das passieren konnte und was für Menschen das waren, die Juden verfolgt und ermordet haben. Und dann sah ich Fotos vom KZ-Arzt Josef Mengele, auf denen er wie ein netter Mann, ein Vater mit Familie und Hund aussah, und ich fragte mich, wie kann so ein Mensch andere Menschen foltern und zu Experimenten missbrauchen? Seitdem weiß ich, dass Menschen, egal wie berühmt oder mächtig sie sind, Abgründe haben können, die man nicht sehen kann. Und seitdem habe ich keine Helden. Ich mag manchmal die Musik von jemandem oder auch einen Film mit einer Schauspielerin, aber ich stelle niemanden auf ein Podest, weil ich immer denke, na ja, vielleicht ist der Musiker ein schrecklicher Vater oder die Schauspielerin eine schlimme Partnerin oder was auch immer. Und so spüre ich keine Ehrfurcht vor den Mächtigen oder Berühmten, die ich fotografiere. Was mich natürlicher, ungezwungener und auch frecher mit ihnen umgehen lässt. Dadurch schaffe ich es manchmal auch, dass sie sich für ein Foto in einen Kleiderschrank setzen oder sich das Gesicht anmalen lassen.
Sie haben 2019 in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel 75 Überlebende des Holocaust fotografiert. Ein Teil der Bilder war in Ausstellungen auch in Deutschland zu sehen. Fotografiert man solche Menschen anders als zum Beispiel Hollywood-Stars?
Technisch nicht, aber mein Gefühl war dabei natürlich völlig anders. Ich bin ein Deutscher, Nachkomme der Tätergeneration und da kam dieses Schuldgefühl, dass ich als Jugendlicher schon hatte, wieder hoch. Und als ich da fotografierte, fingen viele der Menschen an, mit mir Deutsch zu sprechen, weil Deutschland damals ein Land war, in das ihre Eltern eingewandert waren, weil Deutschland ein großes Versprechen der Zukunft war. Und deshalb hatten sie als Kinder schon Deutsch gelernt aber nach ihrer Befreiung nicht mehr gesprochen.
Sieht man das gelebte Schicksal in solchen Gesichtern?
Schwer zu beantworten. Das, was die Menschen in Auschwitz oder anderen Lagern überlebt haben, ist 75 Jahre her, sie waren alle Kinder. Danach kam dann ein anderes Leben, sie zogen in andere Länder, die meisten haben große Familien, Kinder, Enkelkinder, manche haben die Kriege in Israel erlebt. Die Frage ist, was kann man wirklich in einem Gesicht sehen? Ich glaube, wir versuchen oft mehr in Gesichter hineinzulesen, als es wirklich zu sehen gibt.  

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel