Neu im Kino "Die Vaterlosen" Das Leid der Hippie-Kinder

Der Tod des Vaters, das könnte der Moment sein, in dem sich die Familie wieder findet. In Marie Kreutzers Spielfilm "Die Vaterlosen" ist es der Moment, der ungeahnte Brüche in der Vergangenheit der Beteiligten offenbart: So heil war sie doch nicht, die Kommunen-Idylle auf dem Land.

Vorwürfe. Zurechtweisungen. Er lasse sich alles gefallen, wirft der sterbende Vater seinem Sohn Niki (Philipp Hochmair) vor in Marie Kreutzers Kinofilm "Die Vaterlosen". Später wird Niki erklären, er habe die letzten Worte des Vaters vergessen, "privat" sei es gewesen und banal. Um zu erreichen, dass schließlich doch alle am Begräbnis teilnehmen, wird er dann aber behaupten, genau dies sei der letzte Wunsch des Vaters (Johannes Krisch) gewesen.

Andeutungen, Lügen, unklare Ausflüchte - dass etwas nicht stimmt mit der Erinnerung an eine romantische Kindheit in einer heilen Hippie-Idylle, das wird schon sehr bald klar im Langfilmdebüt der österreichischen Filmemacherin Kreutzer. Nur in Momenten täuschen die Erzählungen der Geschwister, die der Tod des Vaters erstmals nach dem Auseinanderbrechen der Kommune, in der sie aufgewachsen waren, wieder zusammenführt, noch Harmonie und Leichtigkeit vor.

Alle scheinen auf ihre Weise im Leben zu stehen und mit der eigenen Vergangenheit distanziert im Reinen zu sein: Niki, der viel beschäftigte Arzt und "Macher" in der Runde der Geschwister ebenso wie der orientierungslose Idealist Vito (Andreas Kiendl) und die zerbrechlich-trotzige Mizzi (Emily Cox).

Risse im Kommunen-Idyll

Amüsante, bisweilen irritierende Rückblenden in ausgeblichenen Polaroid-Farben zeigen den gemeinsamen Vater Hans als Prototyp des Hippie-Patriarchen: stets mit Joint, oft mit Indianer-Kopfschmuck, und mit stoischem Humor dem aufgebrachten Nachbarn gegenüber, dessen Ordnungssystem die antiautoritär erzogenen Hippie-Kinder empfindlich stören.

Es ist an der plötzlich auftauchenden Kyra (Andrea Wenzl), die Risse in dem Kommunen-Idyll aufzudecken: Schockiert durch die Begegnung mit der bis dahin unbekannten Schwester, versucht Mizzi, die Hintergründe für deren Verschwinden aus dem Kollektiv zu ergründen.

Kreutzer bemüht in "Die Vaterlosen" ein klassisches Sujet: Am Totenbett trifft eine entfremdete Familie zusammen und spürt der gemeinsamen Geschichte nach. Mit einer interessanten Besetzung gelingt ihr dabei ein facettenreiches Ensemblestück mit vielen neuen Kinogesichtern.

Erklären statt andeuten

Es gelingt auch ein spannender Auftakt, der durch schöne Kameraführung verstärkt wird und Vieles in Andeutungen und im Ungefähren belässt. Kurze Bilder geben Einblicke in Träume und Illusionen der Elterngeneration und in ihr Scheitern. "Er hat uns auch zum Freisein gezwungen" heißt es einmal über die zum Dogma aufgebauten väterlichen Prinzipien.

Es ist nur schade, dass Kreutzer den eingeschlagenen Weg der Andeutungen später verlässt und sich aufs Erklären verlegt. Damit geht viel von der anfänglichen subtilen Spannung verloren.

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Irmgard Rieger/DPA

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