Regisseur Thomas Roth "Falco hatte das Jekyll-and-Hyde-Syndrom"

Er ist der größte Popstar Österreichs und wird noch immer verehrt wie ein Heiliger. Thomas Roth hat das abwechslungsreiche Leben von Falco nun verfilmt. Im stern.de-Interview erzählt der Regisseur, warum Robert Stadlober nicht die Hauptrolle übernehmen wollte, wie das Drehbuch gestohlen wurde und erklärt den psychischen Zustand Falcos.

Herr Roth, was hat Sie dazu bewogen, einen Film über Falco zu drehen?

Er ist ein österreichischer Ausnahmekünstler, der Welterfolg hatte. Das müsste schon ausreichen. Zum anderen gibt es in seinem Leben so viele interessante dramaturgische Punkte. Er hat ja gleich zu Beginn seines Lebens zwei Geschwister verloren, dann war da die überschwängliche Liebe der allein erziehenden Mutter, seine Affinität zu Drogen und Alkohol, die gekaufte Liebe im Bordell. Dann die persönlichen Schicksalsschläge: Er stellt nach acht Jahren fest, dass seine Tochter gar nicht von ihm ist. Großer Erfolg, große Abstürze, der überraschende tragische Tod, der auch zur Legendenbildung beiträgt: Das alles zusammen schien mir eine sehr gute Ausgangsbasis für einen Film. Ich wollte das Ganze im Zusammenhang mit dem Thema Liebe sehen - das ist also im weitesten Sinn ein Film über Liebe oder abgewiesene Liebe.

Falco ist in Österreich ein Nationalheiliger - in Deutschland ist das nicht ganz so.

Es ist über die letzten zehn Jahre ein Falco-Bild in Österreich aufgebaut worden, das ein bisschen an ein verstaubtes Heiligenbild erinnert. Dieses Bild wird vom Film zerstört und ein neues aufgebaut. Dann gibt es auch bestimmte Leute, die sich in ihrer Eitelkeit gekränkt fühlen, schon weil sie in dem Film gar nicht vorkommen, aber sich für enge ehemalige Freunde halten. Dadurch, dass Falco in Österreich so gegenwärtig ist, gibt es 400.000 Leute, die alle seine engsten Freunde waren.

Gab es Leute, die gegen den Film geklagt haben?

Nein. Aber wir haben ein paar Schwierigkeiten mit den Medien gehabt. Die erste Drehbuchfassung wurde entwendet und veröffentlicht.

Wie bitte?

Die erste Drehbuchfassung wurde aus den Räumlichkeiten von Falcos Mutter entwendet. Die Mutter kann nach ihren Schlaganfällen nicht mehr sprechen und ist entmündigt worden. Wir haben ihr aber aus Anstand das Drehbuch vorher zu lesen gegeben. Daraufhin hat ihr eine Journalistin das Drehbuch abgenommen und in der Zeitung einige Stellen abgedruckt. Letztendlich mussten wir dann alles wieder umschreiben.

Zur Person:

Thomas Roth, Jahrgang 1965, gehört zu Österreichs renommiertesten Fernsehregisseuren. Bekannt wurde er mit mehreren "Tatort"-Folgen und vor allem der Kult-Reihe "Trautmann". "Falco" ist sein dritter Spielfilm fürs Kino, für den Roth neben der Regie auch das Drehbuch beisteuerte.

Wie schwer war es, einen Falco-Darsteller zu finden?

Es gab drei Punkte, die als Anforderungsprofil wichtig waren: Es sollte ein Österreicher sein, der relativ jung ist, und er musste singen können. Unter diesen Umständen bleiben nicht mehr viele Schauspieler übrig. Ich hatte mich zuerst für Robert Stadlober entschieden. Ich halte ihn für einen außergewöhnlich guten Schauspieler mit viel Erfahrung. Er hat zunächst auch zugesagt. Später hat er dann per Mail abgesagt, weil er sich die Rolle plötzlich nicht mehr zutraute. Aus dieser Not heraus haben wir uns nochmal alle Castingbänder angesehen. Manuel Rubey war ursprünglich für die Rolle des Bandleaders gecastet worden. Im Nachhinein bin ich über die Besetzung sehr glücklich, wir haben da eine große Entdeckung gemacht.

Ist Ihr Film erzählte Popgeschichte oder sehen Sie einen aktuellen Bezug?

Ich sehe schon einen Bezug zu heute. Ich wollte gerne ein österreichisches Künstlerschicksal verfilmen. Falco ist zwar wegen seines ungeheuren Erfolges ein Extremfall, aber auch ein Künstler mit weniger Erfolg steht oft vor ähnlichen Problemen: Man muss seine Gefühle für andere zugänglich machen. Das ist ein schöpferischer Akt. Damit hat Falco extreme Schwierigkeiten gehabt. Darum hat er am Ende immer weniger selbst geschrieben. Irgendwann war er wohl leer.

Sie haben gesagt, dass aus der Privatperson Hans Hölzel und der Kunstfigur Falco eine dritte Person entstanden sei.

Er hat das Jekyll-and-Hyde-Syndrom gehabt. Falco ist als Hyde der Presse und der Öffentlichkeit gegenüber mit einer ungeheuren Präpotenz aufgetreten. Und Hans Hölzel war sozusagen Dr. Jekyll, der Schöpfer von Hyde, ein sensibler, zerbrechlicher junger Mann mit der Sehnsucht nach einem bürgerlichen Hintergrund. Irgendwo sind diese beiden Personen dann zu einer verschwommen.

Vielleicht gab es diesen echten Hans dann irgendwann gar nicht mehr.

Genau, diese Kunstfigur ist mit dem echten Charakter so verschmolzen, dass er manchmal Hölzel, manchmal Falco war. Und es ist bestimmt sehr schwierig, mit so jemandem umzugehen.

"Falco - Verdammt, wir leben noch!" startet am Donnerstag, 5. Juni, in den deutschen Kinos

Interview: Sophie Albers

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