Regisseurin Cecilia Peck "Mein Vater wäre stolz auf mich"

Cecilia Peck hat die Dixie Chicks bei ihrer Tour durch die USA gefilmt. Die Country-Band wurde wegen ihrer Kritik an Bush angefeindet. Im stern.de-Interview spricht die Regisseurin über den Hass, der ihnen entgegenschlug - und ihren Vater Gregory Peck.

Er war gedacht als ein Film über die erfolgreichste Frauenband aller Zeiten. Dann sagte die Sängerin der Dixie Chicks auf einer Londoner Bühne, sie schäme sich, dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stamme. Und die Hölle brach los. Die Regisseurin Cecilia Peck, Tochter des Hollywoodstars Gregory Peck, erzählt von ihrem Dokumentar-Film "Shut up and sing", der die Dixie Chicks auf ihrer Reise durch ein Land zeigt, in dem Menschen sie für ihre Meinung umbringen wollen.

Frau Peck, waren Sie erstaunt über die Reaktionen, die dieser eine Satz der Sängerin Natalie Maines in den USA provoziert hat?

Ja, die Menschen waren so gewalttätig und feindselig. Das war eine schockierende und beschämende Zeit. Das hätte nie passieren dürfen. Aber ich war ebenso erstaunt über den Mut dieser Frauen und ihre Weigerung, irgendetwas zurückzunehmen. Die drei halten zusammen, and das macht sie stark. Die Band hat meine Co-Regisseurin Barbara Kopple und mich sehr inspiriert.

Wann haben sich die Dixie Chicks entschieden, über ihre Erfahrungen einen Film zu machen?

Wir wollten schon vor diesen ganzen Ereignissen einen Film über die Tour dieser unglaublich erfolgreichen Band machen - sie sind im Guinness der Rekorde, weil sie für ihre Konzerte 2002 schneller Karten verkauft haben als irgendjemand sonst. Nach diesen Ereignissen hat es etwas gedauert, bis die Chicks zustimmten, dass wir anfangen zu drehen. Es war einfach eine sehr traumatische Zeit für sie, und die Mädels haben nur versucht, weiter Musik zu machen und zu überleben. Aber irgendwann kam der Punkt, an dem sie der Welt zeigen wollten, was da Unglaubliches geschehen war. Sie wollten ihre Seite der Geschichte erzählen.

Wie war die Atmosphäre in der Band, als sie 2005 anfingen, sie bei ihren neuen Plattenaufnahmen zu filmen?

Zu diesem Zeitpunkt hatten sie das Schlimmste hinter sich, dachten alle. Sie hatten die Todesdrohungen überlebt, die ihre Konzerte unmittelbar nach dem Kommentar in London 2002 begleiteten. Jetzt war die Frage, ob die Fans sie weiter unterstützen würden. Und ob die Radiostationen sie weiter boykottieren würden. Was sie auch drei Jahre danach immer noch taten. Dabei hatte Natalie ja Recht daran, diesen Krieg zu hinterfragen, wie man inzwischen weiß. Aber die Country-Fans haben ihr nicht vergeben.

Im Netz:

Webseite des Films mit Trailer und Diskussionsforum: www.myspace.com/shutupandsing

Sie zeigen sehr intensiv, wie hart die Dixie Chicks an ihrem neuen Album gearbeitet haben. War es schwierig, diesen Zugang zu bekommen?

Wir wollten zeigen, wie sie ihre Erfahrungen in der Musik verarbeiteten. Und klar hatte die Band Angst, zu viel von sich Preis zu geben. Anfangs riefen sie bei uns an und sagten: "Hej, kommt rüber, wir nehmen gerade etwas Wichtiges auf." Aber im Laufe der Zeit sind wir einfach aufgetaucht, wenn wir glaubten, dass es interessant werden könnte.

Alle drei Frauen haben in den vergangenen Jahren Kinder bekommen. Wie wichtig war es den Dixie Chicks, dass sie auch als Mütter gezeigt werden?

Sie haben verstanden, dass dieser Teil ihres Lebens wichtig ist, wenn man ihre Musik verstehen will. Nur Natalie Maines, die Sängerin, war bis zum Ende nicht einverstanden, dass wir zu viel Privates von ihr zeigen. "Das sieht doch aus, als würde ich angeben wollen, was für eine gute Mutter ich bin", hat sie immer gesagt. Sie kann so offen sein - und ist gleichzeitig so zurückgezogen in ihrem Privatleben.

Was ist für Sie die wichtigste Szene im Film?

Das muss der Moment sein, in der Martie Maguire anfängt zu weinen, als sie sagt, dass sie sogar ihre Musik aufgeben würde, wenn das Natalie helfen würde, wieder Frieden zu finden. Diese Szene zeigt den unglaublichen Druck, dem die drei ausgesetzt waren und sind. Sie haben all diese Verantwortlichkeiten, für ihre eigenen Familien, für die Bandmitglieder, und der Hass in den USA hat ihre Karriere bedroht. Und alles nur wegen dieses einen Satzes. Als wir den Dixie Chicks den Film zeigten, hat Natalie bei dieser Szene Martie zugeflüstert: "Thank you!"

Was hoffen sie wird passieren, wenn der Film jetzt Anfang November in den USA ins Kino kommt?

Leider sind die Vereinigten Staaten immer noch extrem gespalten. Meine Hoffnung ist, dass der Film eine Art Dialog möglich macht, und Leute beginnen zu hinterfragen, was damals passiert ist. Vor allem, wenn sie die Chicks als Mütter, als Musikerinnen, als Menschen sehen, die von diesem Hass angegangen werden.

Ist es nicht ungewöhnlich, dass inzwischen so viele Dokumentarfilme ins Kino kommen?

Es ist großartig, das war unser Traum. Ich glaube, die Dixie Chicks selber haben immer gedacht, dass der Film höchstens auf einer DVD erscheinen will. Aber als wir ihn den Filmverleihen in den USA gezeigt haben, hat es einen regelrechten Wettbewerb gegeben. Und Harvey Weinstein, der für ihn jetzt verantwortlich ist, hat gesagt, dass es eine sehr wichtige amerikanische Geschichte sei, die erzählt werden müsse.

War ihr Film auch vom politischen Klima in den USA betroffen?

Ich glaube, das hat die Wertung beeinflusst, die "Shut up and sing" bekommen hat. Der Film gilt als "R", eine Wertung für sehr üble Sprache und besonders explizite Sex- und Gewaltszenen. Ich denke, dass dies eine politische Entscheidung war. Dabei wäre es wichtig, dass gerade junge Teenager diesen Film sehen können - und erfahren, dass man nicht den Mund halten muss.

Sie stammen aus einer alten Hollywoodfamilie. Was hätte ihr Vater, der 2003 verstarb, zu diesem Film gesagt?

Mein Vater hat in Zeiten des Vietnamkriegs einen Dokumentarfilm über zwei Priester produziert, die aus Protest Einzugspapiere verbrannt haben und deshalb zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Er war auf der Schwarzen Liste von Präsident Nixon. Von daher sehe ich meinen Film durchaus in der Tradition der Peck-Familie. Ich glaube, mein Vater wäre stolz auf mich. Und noch mehr: Wenn er noch leben würde, wäre er aufgestanden und hätte für das Recht der Dixie Chicks gekämpft, ihre Meinung frei zu äußern.

Interview: Cornelia Fuchs

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