Vergessen Sie Gordon Gecko. Und "Wall Street". Wenn Ihnen etwas am Kino liegt und an dem, was einst über uns in den Geschichtsbüchern zu lesen stehen wird: Schauen Sie sich "The Big Short" an! Danach werden Sie stinkwütend sein, aber auch prächtig unterhalten. Klüger, aber auch mächtig euphorisiert. Und achten Sie auf die Blondine in der Badewanne. Sollte ja nicht so schwer sein.

Bis ins letzte, verdammte Detail hat Regisseur Adam McKay ("Anchorman") in dieser kerosinpumpenden Finanzthrillerkomödie alles richtig gemacht: Wenn Margot Robbie ("Wolf of Wall Street") Subprime-Kredite und Leerverkäufe erklärt, während sie im Schaumbad Champagner schlürft; wenn Selena Gomez am Spieltisch in Las Vegas über forderungsbesicherte Wertpapiere spricht oder der Starkoch Anthony Bourdain diese am Beispiel von teuer verkauftem alten Fisch veranschaulicht, hört und vor allem versteht auch der Letzte, wie dummdreist Banken und Rating-Agenturen Menschen um ihr Geld, ihre Rente, ihr Zuhause betrogen haben. Voilà Finanzkrise 2008! Und man sitzt da, kindlich staunend, erwachsen schockiert, und die innere Stimme fragt, wo die nächste Heugabel liegt.
Brad Pitt, Ryan Gosling und das ganz große Geld
Die vierte Wand ist abgeschafft, wenn ein schmieriger Ryan Gosling durch den Film führt, um den Zuschauer immer wieder auf Wahrheiten zu stoßen, hinter die Kulissen gucken zu lassen und mit amüsantem Zynismus über unsere selbstverschuldete Unwissenheit zu lachen. Aber das ist nur die Kirsche auf dieser Torte, die mit folgenden Zutaten gebacken wird:
Eine Gruppe von Geeks und Outsidern wittert die Finanzkrise schon Jahre vorher - und versucht, Profit daraus zu schlagen. Das sind: ein offensichtlich autistisches Zahlengenie (Christian Bale), das als erstes im Zahlenmeer der Globalisierung auf Unstimmigkeiten stößt, ein Hedge-Fonds-Manager, der eh schon meint, dass die Welt ein korrupter Haufen Dreck ist (Steve Carell) und ein zwielichtiger Händler von der Deutschen Bank (Ryan Gosling). Später kommen noch zwei grüne Jungs dazu, die von einem ehemaligen, mittlerweile paranoiden Star-Broker (Brad Pitt) unterstützt werden.
Um deren Geschichte zu erzählen, rast "The Big Short" wie eine irre Achterbahn durch die letzten Jahrzehnte, zeigt, wo der Profit und die Gier herkommen, wie die Menschen auf das "leichte Geld" hereingefallen sind, und wie das Fundament, auf dem der ganze Markt sich türmt, zunehmend in die Brüche geht, was aber niemanden zu interessieren scheint. Sind zu viele Scheine davor. Großartige Szene: die fast-blinde Chefin der Rating-Agentur.
Zynismus vs Gewissen
Carells Fondsmanager ist so verbittert, dass er den Zynismus bereits hinter sich hat. Er und Pitts ausgestiegener Öko-Realist sorgen dafür, dass der Film nicht völlig in eine bitterböse Farce abrutscht. Auch wenn es durchaus angemessen scheint. Sie sind unser Gewissen, das sich immer wieder meldet, wenn der zugekokste Ritt auf der Gier-Welle zu lange dauert. Denn das hat dieser Film, ein Gewissen.
Das friedliche Miteinander in unserer Gesellschaft basiert auf Vertrauen: Vertrauen darauf, dass mein Nachbar mir nicht den Kopf einschlägt, Vertrauen darauf, dass die Milchpreise schon stimmen werden, Vertrauen darauf, dass der Arzt mich heilen und nicht mit mir reich werden will, Vertrauen darauf, dass mein hart verdientes Geld auf der sicheren Bank liegt. Ja, es gibt Regeln und Gesetze, aber die hätten ohne Grundvertrauen keine große Wirkung. Ohne unser Grundvertrauen wäre das Leben in unserer Gesellschaft Barbarei. Ohne dieses Gefühl der Solidarität, dass wir alle im selben Boot sitzen, wäre es eine Hölle des Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste. In der hat alles und jeder keinen anderen Wert als seine Effizienz. Manche nennen das Turbokapitalismus. "The Big Short" hat die Eier, es menschenfeindlichen Dreck zu nennen. Interessanterweise Dreck nach dem sich viele offensichtlich sehnen.