Verfilmung des Karl-May-Stoffs "Der junge Häuptling Winnetou" ist ein süßer Kinderfilm – mit erschreckender, rassistischer Szene

Mika Ullritz (l) als Winnetou und Milo Haaf als Tom Silver in einer Szene des Films "Der junge Häuptling Winnetou"
Empörung über Winnetou, Winnetou-Bücher und dessen Verkaufsstopp: ein Komplex, über den sich viele in Deutschland empört haben
© -/Leonine / DPA
Es ist das Corpus delicti: der Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou". An dem Begleitbuch entbrannte eine heftige Debatte um Rassismus und kulturelle Aneignung. So süß der Streifen ist, so bedenklich ist er auch.

Zwei kleine Jungs aus unterschiedlichen Kulturen und Traditionen treffen aufeinander. Anfangs können sie einander nicht ausstehen, bestehen zusammen das ein oder andere Abenteuer und werden am Ende Blutsbrüder. Was nach einem süßen Kinderfilm mit schöner Botschaft klingt, ist auch in großen Teilen so. Wäre da nicht das Herumreiten auf Klischees indigener Völker. 

Und eine rassistische Szene.

Der junge Häuptlingssohn Winnetou und sein neuer Verbündeter, Tom Silver, brechen auf, um Büffel zu finden, die dem Stamm das Überleben sichern können. Während die beiden Jungs hintereinander durch die Steppe reiten, schwitzt der Blondschopf sehr. Die Haare kleben an seinem Kopf. Er dreht sich zu Winnetou um, der von der Hitze nicht beeindruckt scheint, und fragt ihn: "Schwitzen Indianer eigentlich?" 

Mal davon abgesehen, dass diese Frage aus wissenschaftlicher Sicht an Dämlichkeit nicht zu überbieten ist – was soll damit erreicht werden? Indigene als Außerirdische zu brandmarken, die Schweiß nicht kennen? Welches Bild wird damit einem jungen Publikum vermittelt?

Und das ist der springende Punkt: Das, was wir Erwachsene unseren Kindern und Jugendlichen zeigen, vorlesen und vorleben, wird sie prägen. Und dann werden es viele von ihnen ihrem Nachwuchs weitergeben. Ein Teufelskreis. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich Kulturschaffende ihrer Verantwortung bewusst sind, gerade jene, die sich auf Kinderfilme und -literatur fokussieren. Den Machern von "Der junge Häuptling Winnetou" ist das leider nicht gut genug gelungen.

"Der junge Häuptling Winnetou" – ein Klischee jagt das nächste

Neben der geschilderten Szene ist der Film gespickt mit Klischees indigener Traditionen. Die Stammesangehörigen mit ihren bemalten Gesichtern und in ihren bunten Kostümen grüßen mit "Houwgh", eine weise, ältere Frau kann in die Zukunft sehen und Winnetou kann mit dem Aufeinanderklopfen von Steinen Pferde herbeirufen. 

Eine Chance, um die Wirklichkeit und Zukunft der Indigenen zumindest aufzuzeigen, haben die Macher verpasst. Nagi-Nita, ein Stammesmitglied hatte mit den Bösen gemeinsame Sache gemacht, um an Waffen zu kommen. Denn nur so könnten sie, die Indigenen, gegen die voranrückenden Siedler bestehen. Damit trifft der junge Mann (gespielt von Tim Oliver Schultz) genau den wunden Punkt: Weiße Siedler rotten auf den amerikanischen Kontinenten Völker aus, auch durch Waffengewalt. Diese historischen Fakten hätte in einem Abspann oder in Form einer Erklärtafel direkt im Anschluss an die fiktive Handlung eingearbeitet werden können. Und müssen.

Um das klar festzuhalten: Winnetou, ob jung oder alt, sollte nicht auf ewig verbannt werden. Im Gegenteil, nehmt dieses Heldenepos, um euch über die Geschichte der indigenen Stämme zu informieren und lasst sie in fiktive Stoffe einfließen. Bücher können durch ein Extra-Kapitel zur wahren Geschichte der Figuren ergänzt werden.

Die jungen Kinobesucher:innen hatten sicherlich ihren Spaß und bei dem einen oder der anderen ist die Neugier geweckt auf die Geschichten indigener Stämme. Es liegt an uns Erwachsenen, ihnen die Welt abseits der Fiktion näherzubringen. Kindgerecht, aber ehrlich und aufklärend.

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