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Streaming Skandal um "Mignonnes": Netflix fliegt übersexte Werbung für einen Kinderfilm um die Ohren

Im Netflix-Film "Mignonnes" geht es um die Herausforderungen des Heranwachsens
Im Netflix-Film "Mignonnes" geht es um die Herausforderungen des Heranwachsens
© Netflix / PR
Der französische Coming-of-Age-Film "Mignonnes" behandelt sensibel die Frage, wie unsere Gesellschaft junge Mädchen übersexualisiert. Netflix' Umgang damit brachte dem Streaming-Riesen nun ordentlich Gegenwind ein. Jetzt ruderte er zurück.

Das Plakat schien ziemlich eindeutig: In aufreizenden Posen sitzen vier leichtbekleidete Mädchen auf einer Bühne, schauen mit großen Augen in die Kamera. "Cuties" - die Hübschen - steht in großen Buchstaben darunter. Doch das Bild, dass auch einen Film über sexy Tänzer- oder gar Stripperinnen bewerben könnte, bringt dem Streaming-Dienst nun mächtig Ärger ein: Alle gezeigten Mädchen sind gerade einmal elf Jahre alt.

Mit der Aktion leistete sich der Streaming-Dienst einen gehörigen Bauchplattscher. Schon kurz nach der Veröffentlichung des englischen Plakats für den französischen Netflix-Film "Mignonnes" (etwa: die Niedlichen) sorgte es in den sozialen Medien für viel Wut. Der ab dem 9. September bei dem Streamingdienst erhältliche Film "sexualisiert eine Elfjährige zur Freude von Pädophilen", behauptete eine Petition bei "change.org", die seit Mittwoch knapp 150.000 Unterzeichner fand.

Sexualisierung oder Sozialkritik?

Dabei liegt die Petition nicht ganz richtig. Tatsächlich sei es ihr bei dem Film darum gegangen, die Sexualisierung von jungen Mädchen zu hinterfragen, erklärte die Regisseurin Maïmouna Doucouré im Januar kurz nach der Premiere beim etablierten Sundance-Filmfestival der Filmseite "Cineuropa". "Ich habe auf einer Stadtteil-Party gesehen, wie eine Gruppe Elfjährige sehr sexuell tanzten, während sie enorm knappe Kleidung trugen. Ich war geschockt", erklärt die junge Regisseurin.

Sie habe sich dann zum Ziel gemacht, in dem Film herauszuarbeiten, wie diese Mädchen zwischen Kindheit und Jugend einer Sexualisierung durch die Gesellschaft und sich selbst ausgesetzt seien, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dazu habe sie auch mit vielen jungen Mädchen und deren Eltern gesprochen. "Es war mir wichtig, sie nicht zu verurteilen."

Das Ende der Kindheit in Zeiten von sozialen Medien

Glaubt man den Kritiken, ist das durchaus gelungen, Doucouré gewann bei Sundance sogar den Preis für die beste Regie in einem internationalen Drama. Im Film wächst die junge Senegalesin Amy in dem krassen Kontrast ihrer traditionellen Familie und dem liberalen Frankreich auf. Während ihr noch im Senegal lebender Vater gerade die Hochzeit mit einer zweiten Ehefrau vorbereitet, beschließt Amy, mit einer Gruppe anderer Mädchen an einem Tanzwettbewerb teilzunehmen. Und übt dabei auch die deutlich sexuelleren Tänze ihrer Starvorbilder.

In den Kritiken und dem Trailer ist das Thema der Sexualisierung zwar klar vorhanden, so dominant wie im Netflix-Plakat ist es aber nicht. Vielmehr geht es um den schwierigen Spagat zwischen Kindsein und Heranwachsen. Das ursprüngliche, französische Plakat hinterlässt auch einen völlig anderen Eindruck: Statt eindeutigen Posen sind dort die vier Hauptdarstellerinnen bei einem Sprung mit Shopping-Tüten zu sehen. Zudem ist das Alter der Mädchen sehr viel klarer erkennbar.

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"Dem Film nicht gerecht geworden"

Netflix ist nun zurückgerudert. "Uns tut es aufrichtig leid, dieses unangemessene Artwort für Mignonnes/Cuties genutzt zu haben", entschuldigte sich der Streaming-Anbieter in einem Tweet. "Es war weder in Ordnung, noch repräsentativ für dieses preisgekrönten französischen Film. Wir haben nun die Bilder und die Beschreibung angepasst."

Für Doucouré dürfte die Debatte um ihren Film aber auch etwas Gutes haben. Sie klagte bereits im Interview im Januar, dass unsere Gesellschaft das Thema zu sehr ignoriert. "Heutzutage bekommt man als Frau in den Augen der sozialen Medien mehr Wert, je sexueller und objektifiziert sie ist. Wenn man elf ist, versteht man diese Mechanismen aber nicht. Man macht es einfach nach", klagte sie. "Es ist dringend nötig, dass wir darüber reden und eine Debatte zu dem Thema führen." Das ist Netflix nun tatsächlich gelungen.

Quelle: Netflix, Cineuropa, Change.org, Twitter

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