Zum Kinostart von "Gnade" Die Gefühle sind eingefroren

Vereiste Landschaften. Eingefrorene Gefühle. In Matthias Glasners neuem Film bittet Theaterstar Birgit Minichmayr um "Gnade".

Matthias Glasner führt den Kinozuschauer regelmäßig in Grenzbereiche. In Lebenssituationen, die schmerzen und den Beobachter zwingen, sich mit den eigenen Vorurteilen und Gefühlen auseinanderzusetzen. Wie bereits im kontrovers diskutierten Vergewaltiger-Drama "Der freie Wille" spielt auch in Glasners neuem Film "Gnade" der eigenwillige Charakterkopf Jürgen Vogel die männliche Hauptrolle. An seiner Seite ist Theaterstar Birgit Minichmayr zu sehen.

In der Ehe von Maria (Minichmayr) und Niels (Vogel) läuft es nicht mehr so gut. Mit dem gemeinsamen Sohn sind sie nach Hammerfest am norwegischen Polarmeer ausgewandert. Niels hat dort einen lukrativen Posten in der Erdgas-Industrie. Maria arbeitet in einem Sterbehospiz. Ihr Leben verläuft oberflächlich betrachtet in gleichmäßigen, ruhigen Bahnen.

Eine Situation extremer Angst und Schuldgefühle

Doch in der verschneiten, vereisten Einsamkeit ihrer neuen Heimat scheinen ihre Gefühle füreinander in Alltagsroutine erstarrt und erfroren zu sein. Niels hat eine Affäre mit einer Kollegin begonnen. Maria ist ihren sterbenden Patienten eine liebevolle Pflegerin, wird selbst aber zunehmend lethargischer und depressiver. Eines Tages hat Maria auf der Heimfahrt einen Unfall. Als sie ein Polarlicht am Himmel bewundert, sieht sie einen Augenblick nicht auf die Straße - da geschieht das Unglück.

Maria meint, etwas oder jemanden überfahren zu haben. Doch sie begeht Fahrerflucht und weiß nicht, ob sie die Kraft hat, sich zu stellen. Wenig später ist klar: Bei dem Unfall ist ein junges Mädchen gestorben. In dieser Situation extremer Angst und Schuldgefühle ausgesetzt, sucht Maria Hilfe bei ihrem Mann. Das Paar muss nun nicht nur einen Weg finden, mit Marias Schuld umzugehen, sondern auch die eigene Beziehung hinterfragen.

Glasner fragt, ob der Mensch ohne Gnade leben kann. Ob er sich selbst verzeihen kann. Eis und Schnee, das kalte Licht des Nordens dienen in seinen sehr klaren, einprägsamen Bildern als Metaphern, die der Regisseur aber nicht überstrapaziert. Vogels kraftvollem Spiel und Minichmayrs zurückgenommener, leiser Darstellung hätte er aber ruhig noch mehr Raum geben können. Das Ende des Films ist etwas zu versöhnlich ausgefallen. Da bleibt der Zuschauer dann seltsam distanziert - als ob er durch eine leicht vereiste Glasscheibe auf das tragische Geschehen blickt.

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Elke Vogel, DPA

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