Interview Heinz Strunk: "Heute wird alles zur Depression hochgejazzt"

  • von Daniel Haas
Pressefoto Autorenfoto Heinz Strunk
Sammelt beim Fernsehen Sprachmüll ein: Heinz Strunk, 62
© Dennis Dirksen / Rowohlt
Heinz Strunk hat den epochalen Roman "Der Zauberberg" fortgeschrieben. Hier spricht er über die Härte seiner Geschichten und den Vorwurf, ein Menschenfeind zu sein.

Schon der Titel ist eine Provokation: Heinz Strunk hat Thomas Manns bedeutendstem Romanwerk einen zweiten Teil angedichtet, eine Hommage an den epochalen, vor 100 Jahren erschienenen Text – und eine satirisch-scharf-sinnige Variation. Allein das Setting: eine psychosomatische Klinik, ein gestresster Geschäftsmann und eine vom Schicksal zerbeulte Gruppe an Mitpatienten. Die Themen sind so aktuell wie zäh: Depression, Selbstoptimierung, Coaching. Aus alldem macht Strunk eine Geschichte, die zum Lachen und Heulen zugleich ist.

Wie viel von Heinz Strunk steckt in Hauptfigur Jonas Heidbrink, der in der Klinik Hilfe sucht?
Eine Menge. Ich gebe das offen zu und glaube, dass Autoren, die das bestreiten, nicht die Wahrheit sagen – von wegen, das sind nur meine literarischen Figuren, das geht mich persönlich nichts an. Die Probleme von Heidbrink sind auch meine eigenen. Ich hab sie in jedem Lebensalter gehabt, ob mit 25, 35 oder eben mit fast Mitte 60.

Sie hatten Depressionen.
Ja, aber ich versuche, den Begriff zu vermeiden. Heute wird alles zur Depression hochgejazzt. Eine richtige Depression ist etwas anderes als Schwermut oder eine depressive Verstimmung.

Erschienen in stern 49/2024

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