Worum geht es?
Seit einem traumatischen Erlebnis leidet Anna Fox an einer Angststörung: Weite Plätze und Menschenmengen versetzten sie in Panik. So hat sie seit Monaten ihr Haus nicht mehr verlassen, indem sie allein lebt, seit Mann und Tochter sie verlassen haben. Sie verbringt die Tage damit, ihre Nachbarn zu beobachten, Merlot zu süppeln und alte Filme zu gucken. Einziger Kontakt zur Außenwelt ist ihre neue Nachbarin Jane Russell, die sie manchmal besucht. Doch dann beobachtet Anna, wie diese Frau ermordet wird. Als sie die Polizei einschaltet, will ihr niemand glauben - zumal ihr Nachbar eine Frau präsentiert, die behauptet Jane Russell zu sein.
Wer spricht?
Gelesen wird dieses Hörbuch von der bekannten Schauspielerin Nina Kunzendorf, die viele noch als resolute Kommissarin Conny Mey aus dem Frankfurt-"Tatort" kennen. Hier spricht sie eine ganz andere Rolle: die einer verunsicherten, zeitweise benebelten Frau, die ihre Mitte sucht. Das gelingt ihr vorzüglich, auch wenn es über die Strecke von knapp elf Stunden anstrengend ist, einer solchen Stimme zu lauschen.
Warum lohnt sich das Hörbuch?

Der Krimi ist eine Mischung aus dem legendären Alfred-Hitchcock-Film "Das Fenster zum Hof" und dem (mittlerweile verfilmten) Bestseller "Girl on the Train". Wie der Fotograf Jeff Jeffries bei Hitch ist auch hier die Heldin ans Haus gekettet - und beobachtet ihre Nachbarschaft durch die Linse ihrer Kamera. Und wie Rachel Watson aus Paula Hawkins' Roman ist sie Alkoholikerin und wird deswegen von niemandem für voll genommen. Die Anleihen werden jedoch in die Handlung eingebettet: Die Hauptfigur Anna Fox verbringt ihre Abende damit, DVDs aus ihrer Film-noir-Sammlung zu gucken, darunter auch "Das Fenster zum Hof". Immer wieder überlagern sich Elemente dieser Filme mit der Wahrnehmung der Protagonistin, sodass nicht immer klar ist: Was hat sie wirklich gesehen, und was ist der Kombination aus ihrem überbordenden Film-, Tablette- und Alkoholkonsum geschuldet?
Was stört?
So reizvoll das Spiel mit filmischen und literarischen Vorbildern für den Kenner sein mag - der Nachteil liegt auf der Hand: Die Geschichte ist bisweilen arg vorhersehbar. Das trägt zum zwischenzeitlichen Spannungsabfall bei, zumal das Buch nicht so brillant geschrieben ist, um dieses Manko auszubügeln.
Für wen eignet sich das Hörbuch?
Wer einen brauchbaren Begleiter für lange Tage im Lockdown sucht, ist mit "The Woman in the Window" gut bedient. Für Netflix-Kunden lohnt es sich besonders: Sie können das Hörbuch direkt mit der filmischen Umsetzung Vergleichen. Der Film mit Amy Adams und Gary Oldman ist ab dem 14. Mai abrufbar.