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Delius: "Die Zukunft der Schönheit" Nazis in Hessen und die zersetzende Kraft des Free Jazz

Friedrich Christian Delius: "Die Zukunft der Schönheit"
Ein Konzert des Free-Jazzers Albert Ayler nimmt der Schriftsteller Friedrich Christian Delius zum Ausgangspunkt für ausschweifende Reflexionen über sein Leben und die Kunst. Im Bild zu sehen ist der Saxofonist Ornette Coleman, ebenfalls ein Vertreter des Free Jazz.
© Rowohlt / Picture Alliance
Ein Konzertbesuch wird für den jungen Friedrich Christian Delius 1966 zum Erweckungserlebnis. In "Die Zukunft der Schönheit" entdeckt er Free Jazz als Waffe gegen den Vietnamkrieg und die Altnazis in seiner hessischen Heimat.

Worum geht es?

"Musik war das nicht": Als Friedrich Christian Delius 1966 im New Yorker Club "Slug's Saloon" ein Konzert des Free-Jazz-Saxofonisten Albert Ayler besucht, ist er angesichts der wilden Klänge zunächst verstört. Doch dann öffnet er seine Ohren, lässt sich auf die fremdartigen Töne ein - und beginnt nachzudenken. Über den Vietnamkrieg, das komplizierte Verhältnis zu seinem protestantischen Vater. Und seine Jugend im hessischen Korbach, in dem damals noch zahlreiche Alt-Nazis das Sagen hatten.

Wer spricht?

Die Stimme dürfte den meisten bekannt vorkommen: Das Buch wird gelesen von Christian Brückner. Der wurde bekannt als Synchronstimme von Robert De Niro und gehört seit Langem zu den besten Sprechern des Landes. Er allein ist ein Grund dafür, dieses Hörbuch zu kaufen: Mit seiner herrlich-knarzigen Stimme könnte er das Telefonbuch vorlesen, und man würde noch wohlig schnurren.

Warum lohnt sich das Hörbuch?

Friedrich Christian Delius: "Die Zukunft der Schönheit"
Das Hörbuch "Die Zukunft der Schönheit" von Friedrich Christian Delius, gelesen von Christian Brückner, ist bei Audible zum Download erhältlich.
© parlando Verlag

In Zeiten der unbegrenzten Verfügbarkeit von Musik durch Internet und Streaming-Plattformen kann man sich kaum noch vorstellen, welch verstörende Wirkung ein Konzertbesuch haben konnte. "Die Zukunft der Schönheit" führt einem die gewaltige Kraft der Musik noch einmal vor Augen. Der blutjunge Friedrich Christian Delius lernt dadurch, "wie man mit dem Zerfetzen und Zersetzen ernst machen - und gleichzeitig Spaß haben konnte". Eine Erfahrung, die seinen Lebensweg beeinflussen sollte: Delius wurde zu einem der intellektuellen Wegbereiter der 68er-Bewegung und zählt heute zu den renommiertesten Schriftstellern des Landes.

Was stört?

Wer dieses Buch kauft in der Hoffnung, mehr über Albert Ayler und seine Musik zu erfahren, wird enttäuscht. Darin ähnelt es seiner wohl bekanntesten Erzählung "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde". Dort geht es weniger um das "Wunder von Bern", sondern mehr um das Leben des elfjähriger Jungen, der in den 50er Jahren in einem protestantischen Pfarrershaushalt aufwächst - und was ihm der Fußball-Triumph bedeutet. Auch in "Die Zukunft der Schönheit" ist das auslösende Ereignis - das Konzert Albert Aylers - nur Ausgangspunkt für weitschweifende Gedankenreisen. Freunde plotgetriebener Literatur werden mit dieser Struktur fremdeln.

Für wen eignet sich das Hörbuch?

Wer von Literatur mehr erwartet als nur gute Geschichten und bereit ist, sich auf die Gedankenwelt von Friedrich Christian Delius einzulassen, wird an "Die Zukunft der Schönheit" viel Freude haben.

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