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Lermontow: "Ein Held unserer Zeit" Duelle, Liebesintrigen und ein tiefer Blick in die russische Seele

Michail Lermontow
Der russische Schriftsteller Michail Lermontow (1814-1841) kam mit nur 26 Jahren bei einem Duell ums Leben. Wegen seines frühen Todes gilt er als das "größte uneingelöste Versprechen der Weltliteratur".
© akg-images/ / Picture Alliance
Mit der Figur des Petschorin schuf Michail Lermontow einen der ersten Dandys der Weltliteratur. "Ein Held unserer Zeit" erzählt Geschichten aus dem Leben des gelangweilten Soldaten, mit dem Leben und den Gefühlen anderer Menschen spielt wie mit Schachfiguren.

Worum geht es in "Ein Held unserer Zeit"?

Der Roman erzählt fünf Geschichten aus dem Leben des Soldaten Grigorij Alexandrowitsch Petschorin, der alles schon einmal erlebt zu haben scheint und der so abgestumpft ist, dass es für ihn keine moralischen Grenzen gibt. In einer Episode entführt Petschorin bei einer muslimischen Hochzeit ein Pferd und raubt die schöne Tscherkessin Bela. Nun, da er sie besitzt, kühlt sein Interesse an der Frau schnell ab. Als sie schließlich ermordet wird, empfindet er nicht einmal Trauer - nur Überdruss.

Den größten Teil nimmt die Erzählung ein, wie Petschorin das Herz der Prinzessin Mary erobert. Nicht weil er sie liebt, sondern aus purer Langeweile. Und um den einfältigen Gruschnitzkij zu ärgern, der dem Mädchen verfallen ist. Es kommt schließlich zum Duell, in dem Petschorin seinen Widersacher tötet. Nun, da der Weg für ihre Liebe frei wäre, serviert er die Prinzessin eiskalt ab. Die ganze Eroberung war ohne Sinn. Was ihm zu einem modernen "Helden" macht: Petschorin reflektiert das alles mit messerscharfem Verstand. Er ist sich der Absurdität seines Handelns völlig bewusst, was ihn zu einem Vorläufer des Existenzialismus macht.

Wer spricht?

Gelesen wird dieser Roman von dem Schauspieler und Synchronsprecher Osman Ragheb. Der war zum Zeitpunkt der Aufnahme fast 80 und verfügt über eine wunderbare Märchenonkel-Stimme, die den ein oder anderen Hörer an die Märchenschallplatten aus der Kinderzeit erinnern mag und deretwegen man dem Helden Petschorin gerne bei seinen schnurrigen Abenteuern folgt.

Warum lohnt sich das Hörbuch?

Michail Lermontow: "Ein Held unserer Zeit"
Michail Lermontow: "Ein Held unserer Zeit" ist bei Audible als Download erhältlich.
© Hörliteraturverlag

Häufig betrachten wir Russland als einen europäischen Staat mit Hinterland. Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahrhunderten russische Zaren wie Peter der Große und Künstler wie Peter Tschaikowski stark am Westen orientiert. Doch das ist nur ein kleiner Teil Russlands: Es gibt auch das asiatische Erbe, den Vielvölkerstaat mit Reiterstämmen wie den Tscherkessen, seinen unendlichen Weiten und imposanten Hochgebirgen. Lermontow gehörte zu den ersten russischen Schriftstellern, die den Blick von den gediegenen Metropolen St. Petersburg oder Moskau weggelenkt und die asiatischen Anteil der russischen Seele betont.

Gleichzeitig führt Lermontow einen Held ganz neuen Typs in die Weltliteratur ein: den Dandy. Ein stilvoller Mann, der immer auf der Suche nach Vergnügen ist, es aber nie findet - denn er hat alles schon einmal erlebt und kann sich deswegen für nichts wirklich begeistern.

Was stört?

Michail Lermontows Roman setzt sich aus fünf Novellen zusammen. Doch anstatt bei der Kapiteleinteilung dieser Struktur zu folgen, hat sich die Hörbuch-Version für einen anderen Weg entschieden: Der sechseinhalb Stunden lange Stoff wird willkürlich in etwa 75 Minuten lange Abschnitte eingeteilt. Das ist so sinnfrei wie lieblos.

Beste Stelle:

"Nach diesem allen muss man wohl Fatalist werden! Aber wer weiß bestimmt, ob er von etwas überzeugt ist oder nicht? ... Und wie oft halten wir Sinnestäuschung oder einen Fehler des Verstandes für Überzeugung! ... Ich liebe es, an allem zu zweifeln; diese Neigung hindert die Entschlossenheit des Charakters nicht; im Gegenteil, was mich betrifft, so gehe ich stets kühner vorwärts, wenn ich nicht weiß, was mich erwartet. Schlimmeres als der Tod kann nicht geschehen – und den Tod kann man nicht vermeiden."

Für wen ist das Hörbuch geeignet?

Auch wenn das Buch bereits 1840 erschien, ist der Protagonist Grigorij Alexandrowitsch Petschorin ein überaus moderner Charakter, denn er ist gerade kein strahlender "Held" im klassischen Sinne, sondern eine zerrissene Person, die gleichzeitig ihr eigenes Tun mit glasklarem Verstand reflektiert. Damit kann dieser Klassiker auch heute noch jedem Hörer uneingeschränkt empfohlen werden.

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