"Nacht der Industriekultur" eröffnet Japan, Feuer und Flamenco

Japanische Kultur im Dortmunder U, Feuershows im Gasometer und Flamenco in der stillgelegten Zeche: Das Ruhrgebiet hat sich zur "Extraschicht" mal wieder selbst gefeiert. Mit über 200 000 Besuchern - ein Rekord im Jahr eins nach der Kulturhauptstadt Ruhr.2010.

Zur "Nacht der Industriekultur" weht am Dortmunder U die Japan-Flagge. Das mag verstörend wirken an einem Tag, an dem sich das Ruhrgebiet selber feiern will und Japans Fußballfrauen die deutschen Kickerinnen aus dem WM-Turnier geschossen haben. Warum also keine andere Fahne? Weil die "Extraschicht" eine Nacht des Entdeckens und des vorsichtigen Herantastens an Kulturen ist, die sonst im Verborgenen schlummern. Japan im prestigeträchtigen Dortmunder Kulturzentrum also.

Im Erdgeschoss werden Zeichentrickfilme gezeigt, in der dritten Etage zeigt der Hartware MedienKunstVerein seine neue Ausstellung und im Café tanzt eine Japanerin - ohne Musik. Diese Szene im U-Café ist typisch für die "Extraschicht", bei der am Samstag nach Veranstalterangaben wieder über 200 000 Besucher im Ruhrgebiet unterwegs waren. Zechen, Hochöfen und andere stillgelegte Industrieanlagen dienen dabei als Bühnen für Artistik, Musik, Lichtshows und Theater.

Die Tanzdarbietung im U ist ungewöhnlich: Einige Besucher murmeln noch vor sich hin, als Akemi Nagao bereits zwei Minuten tanzt. Sie tanzt ohne Musik - das sorgt für Verwirrung. In ihrem dunklen Kleid sieht sie aus wie ein schwarzer Schwan, der seine Flügel immer wieder unrhythmisch an sich zieht. Manchmal wirkt es, als falle sie hin. Nach einer halben Stunde erklingen dann doch noch Töne. Der Applaus ist verhalten. Doch alle haben das Gefühl, so etwas noch nie gesehen zu haben.

"Im Alltag hat man doch kaum Zeit für Kultur. Deshalb finde ich das gut hier", sagt Brigitte, die mit ihren Freunden Volker und Gisela aus Castrop-Rauxel nach Dortmund gekommen ist. Dortmund ist neben Duisburg, Oberhausen, Essen und Bochum ein Erlebnisareal dieser elften "Extraschicht". "Einzelne Höhepunkte gibt es nicht, das ist Konzept", sagen die Veranstalter von der Ruhr Tourismus GmbH in Oberhausen. Die Auswahl ist groß: Es gibt 47 Spielorte und etwa 200 Veranstaltungen.

Einmal im Jahr feiert sich das Ruhrgebiet selbst und ist ganz nah dran am pulsierenden Rhythmus einer echten Metropole. Nach Einbruch der Dunkelheit setzen Lichtinstallationen Denkmäler zwischen Duisburg und Dortmund außergewöhnlich in Szene.

Feine Klänge sind in der Bochumer Jahrhunderthalle zu hören: Meisterschüler der regionalen Universitäten spielen bei einem sechsstündigen Klaviermarathon unter mächtigen Stahlbögen und einer grauen Betondecke Werke des Klaviervirtuosen Franz Liszt. Nebenan wird beim Poetry Slam Marathon auf Wortakrobatik gesetzt: 40 Minuten Zeit haben die Nachwuchs-Dichter, das Publikum zu überzeugen.

So viel Kultur, das gefällt Silvia Zulkat, die mit Arzu, Petra und Jaqueline extra aus Münster gekommen ist. Die Freundinnen haben einiges vor an diesem Abend: Es geht nach Essen, nach Dortmund und abschließend zum Gasometer nach Oberhausen, wo die Ausstellung "Magische Orte" gezeigt wird. "Wir sind Wiederholungstäter. Weil das hier etwas Besonderes ist", sagt Silvia Zulkat.

Bis spät in die Nacht pendeln Shuttle-Busse und Sonderzüge zwischen den fünf Erlebnisarealen. An diesen Knotenpunkten gibt es nach Mitternacht noch Shows mit Feuerwerk. Es geht bei der "Extraschicht" um neue Orte und kulturelle Erfahrungen - manchmal reicht dazu schon eine tanzende Japanerin.

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Andreas Sträter, DPA

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