Kommunalwahl in NRW Diese drei Dinge lehrt uns die Wahl in Nordrhein-Westfalen

Er hat gut lachen: CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst sieht seinen Kurs durch die Kommunalwahl bestätigt
Er hat gut lachen: CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst sieht seinen Kurs durch die Kommunalwahl bestätigt
© Revierfoto / Picture Alliance
Die SPD kann bei Kommunalwahlen gewinnen. Die AfD ist ausgerechnet in Städten fast so stark wie im Osten. Ein Konkurrent von Friedrich Merz darf sich bestätigt fühlen.

Die einen sind erleichtert, weil es am Sonntag doch nicht so schlimm kam mit der AfD in Nordrhein-Westfalen. Die anderen verweisen auf das enorme Stimmwachstum der Rechtsextremisten gegenüber der Kommunalwahl vor fünf Jahren. 

Der Deutungskampf über den ersten großen Stimmungstest seit der Bundestagswahl ist voll im Gange. 

Drei Lehren aus der Kommunalwahl in NRW

Fakt ist: Die rechtsextremistische Partei konnte ihr gutes Ergebnis der Bundestagswahl weitgehend halten. Die AfD verlor nur leicht. Im Vergleich zur Kommunalwahl von 2020 hat sich ihr Stimmanteil auf 14,5 Prozent verdreifacht, liegt aber deutlich unter dem Bundesschnitt.

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Nun sind Kommunalwahlen spezielle Abstimmungen, sehr lokal, oft stark von Personen abhängig. Erkenntnisse für die gesamte Republik lassen sich nur vorsichtig ableiten. Wer sich die Ergebnisse genauer anschaut, kann trotzdem einiges mitnehmen. 

Diese drei Lehren lassen sich aus der Kommunalwahl ziehen:

1. Die SPD kann noch Wahlen gewinnen

Er ist einer der wenigen Gewinner der SPD in Nordrhein-Westfalen. Sören Link, Oberbürgermeister von Duisburg, muss zwar mit 46 Prozent in die Stichwahl. Doch sein Vorsprung auf den zweitplatzierten Gegenkandidaten von der AfD ist groß. Angesichts des Abwärtstrends seiner Partei könnte man sagen, Sören Link (49) gewinnt noch Wahlen, obwohl er Sozialdemokrat ist. Was macht er anders?

Link führt Duisburg seit 13 Jahren. Die ehemalige Bergbau- und Stahlstadt leidet unter dem Strukturwandel. Gegenwärtig bangen wieder Tausende bei Thyssen-Krupp um ihre Arbeitsplätze. Dass die Bundesregierung kurz vor der Kommunalwahl einen Stahlgipfel ankündigte, dürfte kein Zufall gewesen sein: Bärbel Bas, die SPD-Vorsitzende und Arbeitsministerin, ist wie Link im Duisburger Stadtteil Walsum aufgewachsen. Man kennt sich.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Ein Hauptaugenmerk richtet Link auf die Armutsmigration aus den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien in Teile seiner Stadt, von denen Marxloh der bundesweit bekannteste ist. Link fordert ein härteres Vorgehen gegen Abzocker, die Arbeitskräfte ins Ruhrgebiet locken, ihnen zu horrenden Preisen notdürftige Unterkünfte anbieten, sie anstellen und dann deren Bürger- oder Kindergeld abgreifen. Rund 26.000 Rumänen und Bulgaren leben mittlerweile in der 500.000-Einwohner-Stadt Duisburg, Tendenz steigend.  

Link klagt nicht nur, er greift durch, lässt Wohnhäuser räumen und abreißen. Die SPD sei für ihn die Partei der Arbeit, deshalb müsse man gegen Sozialbetrüger vorgehen. Weil er rhetorisch nicht zimperlich auftritt, handelt er sich immer wieder Kritik ein, auch aus der eigenen Partei. Und dass die AfD in Duisburg trotzdem noch rund 20 Prozent erreicht hat, kann auch Link nicht gefallen. Es ist das alte Dilemma, dass man den politischen Gegner womöglich aufwertet, wenn man seine Themen übernimmt.  

Doch Link dürfte das Ergebnis als Bestätigung sehen, ebenso Parteichef Lars Klingbeil: Er wünscht sich schon länger weniger Sozialromantik seiner Genossen.

2. Die AfD erobert den Ruhrpott

Doch der Erfolg von Link ist nicht die Regel: 407 Stimmen fehlen der AfD in Gelsenkirchen zu Platz 1. Mit 29,9 Prozent holte sie in der Ruhrpott-Metropole die meisten Stimmen im ganzen Bundesland. Auch in anderen Großstädten im Ruhrgebiet erzielten die Rechtsextremisten starke Ergebnisse: In Herne, Bottrop, Duisburg oder Oberhausen stimmen jeweils mehr als 20 Prozent der Wähler für die AfD. 

In Gelsenkirchen, Duisburg und Hagen schafft es die Partei zudem in die Stichwahl. Das sind Wahlergebnisse, wie man sie bisher vor allem aus ostdeutschen Städten kannte.

Die SPD bleibt zwar in vielen der Kommunen stärkste Kraft, büßt aber deutlich an Zustimmung ein. In Herne, Dortmund und Gelsenkirchen sackt die Partei jeweils rund fünf Prozentpunkte ab. Besonders stark schneidet die AfD in SPD-Hochburgen ab, auch wenn sie ihre Ergebnisse im gesamten Bundesland steigern kann. 

Was steckt dahinter? Auch da lässt sich das Beispiel von SPD-Mann Link in Duisburg heranziehen: Die Armutsmigration, die er so stark thematisiert, verschärft besonders in den Ruhrstädten die ohnehin angespannte soziale Lage. Sehr arme Menschen wandern dort in sowieso schon arme Städte ein. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, das erschwert die Integration.

Gleichzeitig sind die Städte von Abwanderung betroffen: Gelsenkirchen etwa verlor seit den 60er Jahren mehr als 100.000 Einwohner. Der Ausländeranteil stieg auch dadurch massiv. Das verschärft ein weiteres Problem: Die Kommunen haben kaum noch Geld, ächzen unter ihren Schulden.

Und überall dort hat die SPD besonders lange regiert – und wird von vielen Menschen verantwortlich gemacht. Die CDU kann davon kaum profitieren. All das nützt im einstigen roten Kernland offenbar vor allem der AfD.

3. Hendrik Wüst dürfte noch selbstbewusster werden

Im Wahlkampf machte in den sozialen Medien ein Interview des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen die Runde. Hendrik Wüst wird darin von einer Bürgerin gefragt, ob er mit der Leistung von Bundeskanzler Friedrich Merz einverstanden sei: Wüst antwortet mit einem lang gezogenen "Joaar". Es klingt ironisch. 

Die Szene ist typisch für das gewachsene Selbstbewusstsein des NRW-Ministerpräsidenten, der als Nummer 2 in der CDU gilt. Das Wahlergebnis dürfte ihn darin noch bestärken. Zwar verlor die CDU auch in Nordrhein-Westfalen einen Prozentpunkt im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren, trotzdem gewann man die Wahl mit Abstand. Und am wichtigsten: Die Christdemokraten lagen ganz deutlich über dem Bundestrend der Partei.

Neben Wüst dürfte das all jene in der Partei stärken, die sich weniger Streit in der Regierung wünschen, weniger Aktionismus und Versprechen. Dafür mehr ruhiges Regieren, mehr praktische Ergebnisse. Wüst zieht mit dieser Botschaft seit Monaten durch die Republik: Bitte weniger Krawall, mehr Koalitionsarbeit. 

Ergebnisse der Kommunalwahlen in NRW 2025
Kommunalwahlen: AfD verdreifacht Ergebnis, Grüne brechen ein .
© RTL.de / RTL
CDU stärkste Kraft – AfD verdreifacht Ergebnis
© RTL.de

Die Bürgerin aus dem Video fragte den Ministerpräsidenten auch, ob er glaube, den Kanzlerjob besser machen zu können als Friedrich Merz. Wüst antwortet mit einem süffisanten, lang gezogenen "Neeeein".

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