Seine Familie schenkte ihm einerseits wunderbare Startbedingungen um ein großer Künstler zu werden: Der Vater war selbst Schriftsteller, die Familie besaß eine mehrere tausend Bände umfassende Bibliothek und seine Schulzeit verbrachte Jorge Luis Borges weit ab von Argentinien in der Schweiz. Er studierte die europäische Kultur und war sich immer der Unterstutzung des reichen Elternhauses sicher. Auch seine Schwester Norah Borges genoss diese Förderung und wurde eine bedeutende Malerin.
Doch auch die größte Tragödie seines Lebens scheint in der Familie begründet zu liegen. Wie schon sein Vater, litt Jorge Luis Borges unter einer Augenkrankheit, deren Fortschreiten auch mehrere Operationen nicht verhindern konnten. Mit etwa fünfzig Jahren war der Schriftsteller vollkommen erblindet. Seit 1955 war er Direktor der argentinischen Nationalbibliothek. Seine Krankheit und seinen "Traumjob" bezeichnete er mal als "Gottes Ironie, mir gleichzeitig 800.000 Bücher und Dunkelheit zu schenken."
Kritischer Blick auf die Weltpolitik
Nach seiner Rückkehr nach Argentinien verbrachte Borges fast sein gesamtes Leben mit seiner Mutter in Buenos Aires. Er heiratete erst 1986, im Jahr seines Todes, seine langjährige Reisebegleiterin und Assistentin María Kodama. Zusammen mit anderen Vertrauten hatte sie ihm seit seiner Erblindung beim Schreiben geholfen, so dass Jorge Luis Borges auch ohne Augenlicht noch schriftstellerisch tätig sein konnte.
Sein Werk besteht aus zahlreichen, meist phantastischen Erzählungen und Gedichten, er verfasste Essays, übersetze und gab literarische Sammlungen heraus. Neben der ständigen Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit, zeichnet sich Borges Literatur durch ihre weltpolitischen Bezüge aus. Seine umfangreiche Bildung und seine spitzfindigen Pointen machen seine Werke unverwechselbar. Doch er war alles andere als ein staubiger Intellektueller: In seinen meist sehr kurzen Erzählungen schuff er eigene Welten, die mit viel Phantasie gefüllt sind. Er vertrat die These, dass auch Unterhaltungsliteratur literarisch wertvoll sein könne und las selbst gerne Kriminalromane.