Künstler schließen sich zusammen Gesucht: "Art"-Genossen

Das Künstlerhaus FRISE feierte am vergangenen Wochenende die Gründung der ersten Hamburger Künstlergenossenschaft FRISE eG. Die Heimat von 36 professionellen Künstlern drohte Sanierungsplänen zum Opfer zu fallen. Doch jetzt soll die Zukunft des Kunstortes mit Hilfe von "Art-Genossen" gesichert werden.

"Es ist immer das Gleiche", sagt die Künstlerin Sabine Mohn resigniert. "Erst kommen die Künstler, dann kommen die Läden und Cafes, dann steigen die Mieten und dann fliegen die Künstler wieder raus." Erst 2003 musste sie dabei zusehen, wie das Künstlerhaus im Hamburger Schanzenviertel, das dort seit 1978 beheimatet war, verkauft wurde. Nur vier Jahre später drohte sich die Geschichte zu wiederholen: Die neue Bleibe der Künstler in Altona-Ottensen sollte in einem Höchstgebotverfahren versteigert werden.

Nicht alle Künstler kommen in den Genuss von staatlichen oder privaten Förderprogrammen in Form von Projektförderungen, Kunstpreisen, Arbeits- und Atelierstipendien, Kunstvereinen oder Künstlerhäusern. Ein Großteil, vor allen Dingen der Nachwuchs, ist auf günstige Arbeits- und Ausstellungsräume in selbst organisierten Künstler- oder Atelierhäusern angewiesen. Doch deren Existenz ist deutschlandweit bedroht, weiß Florian Schöttle, Atelierbeauftragter der Stadt Berlin. Regelmäßig kommen Künstlerinnen und Künstler in seine Sprechstunde, weil sie aufgrund von sanierungsbedingten Mietpreissteigerungen vor dem Verlust des Ateliers stehen oder bereits über keine geeigneten Arbeitsmöglichkeiten mehr verfügen. Erst vor kurzem mussten rund 150 Künstler eine alte Fabrik in der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg räumen, weil ein britischer Investor das Gebäude gekauft hatte und sie die höhere Miete nicht zahlen konnten.

Künstler kaufen sich selber ein Haus

"Um diesem Kreislauf zu entfliehen, müssen die Künstler sich selbst ein Haus kaufen", so Sabine Mohn. Und genau das haben die Bewohner aus dem Künstlerhaus FRISE nun vor. Nach zweijährigen Verhandlungen mit der Stadt und dank der Unterstützung der Kulturbehörde haben sie nun die Möglichkeit, das Gebäude in der Hamburger Arnoldstraße zu erwerben. Um die Sache billiger zu machen, wird ein sogenannter Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen, der die FRISE für zunächst 36 Jahre zu Eigentümern des Künstlerhauses macht. Einziges Problem: Für den Bankkredit über 1,5 Millionen Euro muss FRISE 300.000 Euro Eigenkapital aufbringen. In dieser Situation bewiesen die Künstler, dass sie nicht nur kreativ, sondern auch geschäftstüchtig sind. 17 Mitglieder aus den Vereinen Künstlerhaus Hamburg e.V. und Abbildungszentrum e.V., die das Projekt FRISE vor vier Jahren gemeinsam aufgebaut haben, gründeten Anfang des Jahres Hamburgs erste Künstlergenossenschaft, kurz FRISE eG.

Glossar

Künstlerhäuser fördern professionelle Künstlerinnen und Künstler aller Sparten, indem sie ihnen für begrenzte Zeit Atelierwohnungen und oft auch Arbeitsstipendien zur Verfügung stellen. Sie sind ein Ort der internationalen Begegnung und des Kultur- und Ideenaustauschs. Die Stelle eines Atelierbeauftragten wurde im Frühjahr 1991 aufgrund der großen Ateliernot nach der Wende vom Berliner Senat geschaffen. Aufgabe des Atelierbeauftragten ist es, die kulturelle Infrastruktur weiterzuentwickeln und damit die Existenzbedingungen der bildenden Kunst in Berlin zu sichern.

"Die Idee, eine Genossenschaft zu gründen", erklärt Sabine Mohr, "entstand in der Gruppe. Das Prinzip one man, one vote - egal wie viel Geld man rein steckt, man hat nur eine Stimme - war für uns das beste Modell." Auf keinen Fall wollte man riskieren, dass eine Person alleine das Sagen hat und statt der drei Ziele "Produktion-Austausch-Ausstellungen" in Zukunft andere Interessen im Vordergrund stehen. So wurde mit dem Genossenschafts-Prinzip für eine demokratische Basis gesorgt und die 300.000 Euro Eigenkapital wurden kurzer Hand in 6000 FRISE-Anteile à 50 Euro umgewandelt. Rund die Hälfte wurde bereits verkauft. Die Chancen für die Rettung des Kulturzentrums in der Arnoldstraße stehen also gar nicht schlecht. Investitionsfreudige "Art"-Genossen werden aber weiterhin gesucht.

Auch für Florian Schöttle gab es in letzter Zeit Anlass zur Freude: Ein Berliner Atelierhaus konnte seinen Standort bereits durch die Gründung einer gemeinnützigen GmbH, der ExRotaprint gGmbH, sichern. Ein weiteres, die Ateliergemeinschaft Wiesenstraße 29, gründet gerade eine Genossenschaft, um das zum Verkauf stehende Gebäude zu erwerben. Trotz dieser Erfolge gibt es für den Atelierbeauftragten noch einiges zu tun: Rund 2000 Künstler suchen in Berlin noch nach einem bezahlbaren Arbeitsplatz.

Weitere Informationen zur ersten Hamburger Künstler-Genossenschaft finden Sie unter www.frise.de.

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