Es war ihre erste Reise nach Deutschland. Im Frühjahr 2019 flog Golda Ha-Eiros von Namibia nach Berlin. Die Kuratorin sollte drei Monate lang im Ethnologischen Museum arbeiten und eine Ausstellung mit Objekten aus Namibia konzipieren. Als man ihr das Depot aufschloss, war sie erstaunt. Nicht, weil dort 1400 Objekte aus ihrer Heimat lagerten, die Soldaten und Missionare während der Kolonialzeit gestohlen hatten. Sondern weil sie so schön waren.
Sie sah eine Holzfigur, behängt mit Perlen aus Straußenei, eine Patchworkdecke aus Leder, die dem Panzer einer Schildkröte ähnelte. Und dann war da noch diese Stoffpuppe mit dem weiten Rock und den Puffärmeln, die so sorgsam vernäht waren, wie sie es noch nie gesehen hatte. Ha-Eiros war überrascht, wie genau ihre Vorfahren gearbeitet hatten, wie raffiniert sie Materialien kombiniert, sie mit Fuchshaar, Perlen und Muscheln verziert hatten. Was sie sah, passte nicht zu den Erzählungen von Chaos und wilden Kriegern, die das Land geprägt hätten, bevor die Deutschen eindrangen.
In diesem Moment, erzählt Ha-Eiros viereinhalb Jahre später, habe sie verstanden, wie wenig in ihrer Heimat über das Leben vor der Kolonisierung bekannt sei. Dass es in der Geschichte ihres Landes eine Lücke gebe.