M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Die #PannemannPapers und mein ganz persönlicher Erdogan, Teil 1

Eine Kolumne von Micky Beisenherz
Weil er den ungewöhlichen Nachnamen seines Nachbarn in einer Radiosendung nannte, musste Micky Beisenherz vor Gericht. Eine Geschichte von Schmähkritik, Hass - und verbeulten Schlafanzughosen.

Zwei geplatzte Reifen auf der Autobahn innerhalb eines Monats. Vorladung zum Landgericht. Vielleicht war ja doch was dran, als diese irre TV-Anwältin mich via Facebook verflucht hat. Ich mein, sie kann ja sonst nix, da sollte zumindest schwarze Magie drin sein.

Das Landgericht. Wie konnte es soweit kommen?

Nun, die Scheiße machte sich langsam auf in Richtung Ventilator, als ich im Dezember 2014 zu Gast bei meinem alten Freund Tobias Häusler in seiner Sendung bei WDR2 war. Eine wunderbare, sehr launige Show. Ein schönes Wiedersehen, nachdem unsere gemeinsamen Anfänge beim Radio vor 16 Jahren vor allem dadurch geprägt waren, dass wir abseits des sendbar Beleidigenden regelmäßig Unausstrahlbares, hochgradig Justiziables und Senderzersetzendes für den Giftschrank produziert hatten. Dass uns ausgerechnet DIESE Sendung noch vor den Kadi bringen sollte, wir konnten es nicht ahnen. Überraschen aber sollte es uns auch nicht.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Die ersten 115 Minuten der Zwei-Stunden-Show ging auch alles gut. Dummerweise fiel das Gespräch dann irgendwie auf die Zweitwohnung, die ich noch im Ruhrgebiet habe. Und noch dummerweiser auf den Nachbarn, der unter mir... nun ja... die Restlebenszeit verwaltet.

Seit Anfang der 2000er musste ich diesen Mann erdulden, der mich von Sekunde eins an hassen lernte, allein deshalb, weil ich als Erstbezieher über ihm natürlich lauter war, als die Luft, die bis dato über ihm wohnte. Ein vom Leben enttäuschter Frührentner und Flurwochennazi von der Garageninnenhof-Gestapo, der es sich mit seiner nicht minder verhärmten Frau zum Ziel gesetzt hatte, mir die aus allen Poren triefende Lebensfreunde mittels einer Kaskade von unsinnigen Beschwerden auszutreiben.

Pete Doherty des Mehrparteienhauses

Erst wurde zu lautes Gehen moniert, dann reichten bereits vier Menschen, die sprechenderweise um meinen Esszimmertisch versammelt waren, um die Polizei wegen vermeintlicher Partys zu rufen, sonntagfrühstmorgendliches bewusstes Zuparken meines KFZ wegen Grenzverletzung seiner Parkbucht, am Ende wurde ich behandelt, als würde der Bereichsleiter vom IS höchstpersönlich über ihnen wohnen.

Bei Mieterversammlungen wurde mir das frühe Aufstehen unter der Woche zum Vorwurf gemacht, ich als eine Art Pete Doherty des Mehrparteienhauses dargestellt und von IM Scheintod und seiner Frau mein Tagesablauf detailliert zu Protokoll gegeben.
Schon lange sahen er und seine Gattin mich bei zufälligen Begegnungen im Hausflur an, als hätte ich ihnen heimlich Aids gespritzt. Oder VW-Aktien untergejubelt. Der komplette Katalog ihres verlebten, ockerbeigen Lebens wurde mir mit wenigen Blicken angelastet.

Nicht ganz unwichtig zu erwähnen: Abseits dessen, dass besagter Mann aussieht wie eine ausgemergelte Version von Uwe Friedrichsen, den 40 Jahre Katasteramt zu einer leguanartigen, leeren, freudlos knisternden Reptilienhülle gemacht haben, ist es vor allem der Nachname des amokanzeigenden Nachbarn, der in der folgenschweren Sendung nicht hätte fallen dürfen. Was er aber tat: Hackpfanne.*

Vorladung vorm Landgericht

So einen Namen darf man nicht auslassen. Da hat man auch ein Stück weit Informationspflicht. Zumal man kein Profiler sein muss, um zu ahnen, dass so ein Nachname Anlass genug ist, um in circa 15 Jahren Kindergarten und Schulzeit die nötigen psychischen Verheerungen anzurichten, auf dass dieser Mann im Anschlussdasein sämtlichen Mitmenschen gehörig auf die Nüsse gehen möge.

Dennoch hätte ich den Namen nicht sagen sollen, denn so geschah es, dass ich aus einer launigen Sendung heraus Herrn Pressfleisch* höchstselbst zurecht erdoganisierte. Inklusive Vorladung vorm Landgericht, Löschung der Sendung aus der Mediathek und eben diesem Schriftsatz der Gegenseite, der mir drei Monate nach der Show ins Haus flatterte. Eine Art Best of der absurdesten Sätze, die jemals in einer Klageschrift zu lesen waren.

"Es wurde... ohne dessen Zustimmung mehrfach dessen Name genannt, .... ihn sinngemäß als senilen, querulatorischen und den schönen Dingen des Lebens nicht zugänglichen Menschen bezeichnet.“

"Unser Mandant wurde als ein alter Mann in zerbeulter Schlafanzughose beschrieben."

"Die Sendung ist nicht nur live ausgestrahlt, sondern auch als Pottcast in voller Länge im Internet verfügbar." 

Pottcast. Ganz recht.

Groteskes Theater

Nötigung. Rufschädigung. Üble Nachrede. Final zitiert vors Schmähgericht. Zusammen mit Vertretern des mitangeklagten WDR und dem Mittäter, Tobias Häusler. 14.000 Euro sollte mich der üble Spaß insgesamt kosten. Für das Geld lädt sich Edathy alle drei Teile von... ach, lassen wir das.

Highlight des 14-seitigen (!) Schreibens war die exakt transkribierte zweiminütige Passage, in der Mettmann* sich erwähnt und seine Ehre verletzt sah. Das ganze liest sich wie ein groteskes Theaterstück zwischen M (Moderator, Tobias Häusler) und G (Gast, ich):

M: Dortmund.** Da hast Du noch ne Wohnung.

G: Da habe ich noch ne Wohnung, ja. Also, Herr Gesichtswurst* , der unter mir wohnt, hat nach wie vor manchmal was von mir. Ja, aber selten.

M: Ach, der hört manchmal was von Dir?

G: Ja, der heißt wirklich Wurstwasser* (Anm. des Autoren: Warum ich ohne Not noch einmal auf den Namen des Nachbarn verwies - ich weiß es nicht.)

M: Echt wahr?

M lacht

G: Ja, er und seine Frau - was für ein Liebesbeweis übrigens, ne? Dass man als Frau sagt "Nee, du, komm, äääh, ich nehm deinen Namen an. Wie heißt du denn überhaupt mit Nachnamen? Ach, Schw... Oh, Uh, das, jaa... ehm. Und die wohnen darunter, und er hat sich vor zehn Jahren vorgestellt in so 'nem alten, ausgeleierten Schlafanzug. Der stand bei mir vor der Tür nach zwei Wochen, malmte so mit dem Kiefer, wirklich... SO: (verstellt seine Stimme und ahmt die eines sehr alten, röchelnden Mannes nach. Vier Sekunden schweres Atmen. M lacht.) "Herr Beisenherz, Schwartemagen* mein Name." Da habe ich schon gedacht: Pass auf! So brauchen wir erst gar nicht anzufangen!

(M lacht) "Sie gehen zu laut." Und dann habe ich schon gedacht, oh, jetzt geht's aber los, du, weil: Ich laufe ja barfuß durch die Wohnung, mache ja nix. Ich bin ja nicht mit Knallpömps (M: ja) irgendwie durch die Wohnung gelaufen. Vielleicht ein bisschen Hornhaut unter den Füßen, die so'n bisschen klackert, aber so viel dann auch nicht.
Und dann ging es aber richtig los, ne. Also, monatelang mit Hausverwaltung und Tests, ob das zu laut ist (M lacht) und Anzeige und Polizei." (Anm. des Autors: Die Gegenseite hat offenkundig ein gestörtes Verhältnis zu Rechtschreibung und Damenschuhen.)

M: (M lacht) Ich weiß, dass du dich gewehrt hast. Ich weiß es noch. Du hast dich gewehrt mit dieser Party!

G: Das stimmt. Zum Dreißigsten.

M: Kannst Du das kurz erzählen?

Willi Herren im Wohnzimmer

G: Mein Freund Atze Schröder*** hat mir Willi Herren gebucht. Ein Running Gag, den wir jahrelang hatten, und dann stand der plötzlich bei mir im Wohnzimmer. Ich bin jetzt nicht unbedingt der große Fan von Mallorca-Ballermann-Musik, aber das war natürlich als Schlusspunkt eines jahrelangen Running Gags perfekt. Und dann stand Willi Herren plötzlich bei mir im Wohnzimmer und die haben PA aufgebaut, und es war unfassbar laut. Unfassbar laut. (M lacht) Sogar die Nachbardiskothek hat sich beschwert. (M lacht) Willi Herren hat dann mit Mikro immer reingebrüllt. Zwischenmoderationen und der Name Sülzwurst* kam immer vor, und er sagte, jetzt machen wir noch ein Lied für den Herrn Sülzwurst*. Wenn ich sag: Sülz, dann sagt ihr: Wurst. (M lacht) Sülz! Wurst! Sülz! Wurst!
Ich glaube, der Sülzwurst* hat an dem Abend seine Zunge verschluckt vor Wut.

(Anm. des Autoren: An dieser Stelle wird ein Song sanft eingespielt.)

M: Und ich glaub auch, der Begriff "Sülzwurst"* wurde noch nie auf Joni Mitchell mit "River" gesagt.
G: Das gehört auch eigentlich gar nicht dahin. Ich glaube, Sülzwurst* ist überhaupt nicht in der Lage, so etwas wie Begeisterung für Musik zu empfinden.

51.00: Musik setzt ein.

Dieselbe Kanzlei wie Sylvie Meis

Eigentlich, wenn einem eine derart hoch dotierte Klageschrift ins Haus flattert, müsste man streng genommen erschüttert oder zumindest missmutig sein. Was soll ich sagen. Ich habe Tränen gelacht, war kaum in der Lage, den Kollegen im Büro diesen Schrieb vorzulesen. Nein, wirklich: Meine Blase war kurz davor nachzugeben, wie die komplette erste Reihe im ZDF-Fernsehgarten. 

Die #PannemannPapers. Angezeigt wegen einer verbeulten Schlafanzughose und dessen Träger mit Wurstwaren-Zunamen. Was für ein grotesker Tiefpunkt einer Schmäh-Karriere, die schon mit der Penispumpen-Affäre um Roberto Blanco ihr Allzeit-Tief erreicht zu haben schien.

Und doch: Ich war gezwungen, mir einen Anwalt zu nehmen. Ja, ich gebe zu: Ich hatte dieselbe Kanzlei wie Sylvie Meis und Sabia Boulahrouz. Endlich die langersehnte Gemeinsamkeit.

Mir hatten sie gesagt, es würde nicht zu einer Gerichtsverhandlung kommen. Sie sollten sich irren.

Ich habe noch nie vorm Landgericht gestanden. Aber ich habe auch noch nie eine Kolumne mit einem Cliffhanger enden lassen...

*Name vom Autor geändert. Der richtige ist aber noch deutlich schlimmer. Echt jetzt.
** Stadt vom Autor geändert. Warum, ist mir selbst nicht ganz klar.
*** Name vom Autor geändert. So heißt ja keiner. 

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