Einigen wir uns gleich auf einen Deal, ja? Sie verzeihen mir, dass ich eventuell die aktuellen Neuzugänge der Querdenker-Gemeinschaft verpasst habe. Und ich verspreche Ihnen im Gegenzug, auch in den kommenden Wochen nicht über Geheimlogen und Bill Gates zu berichten.
Das kommt mir auch deshalb gelegen, weil ich entgegen landläufiger Meinung geistig noch recht gesund bin und, viel wichtiger, "noch Arbeit habe" (um auch gleich die oft gestellte Nachfrage von Omma Lore zu beantworten). Und beides hängt ja zusammen. Wohnt ein gesunder Geist doch nicht nur in einem gesunden, sondern vor allem auch betriebsamen Körper.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Ich habe länger überlegt, was Prominente dazu bewegt, in das Allstar-Team von Attila Hildmann zu wechseln, um sich in Internetforen förmlich wund zu theoretisieren, während der gefallene Koch mit einem prahlt wie früher Uli Hoeneß, wenn er mal wieder einen Topstar verpflichtet hatte. Zumal als solcher dieser Tage jeder gehandelt wird, der sich irgendwie auffällig verhält. Auch wenn er bloß vergleichsweise harmlosen Eso-Quark verbreitet, wie zuletzt Nena, die in einem Instagram-Post berichtete, dass sie der aktuellen "Panikmache" mit ihrem tiefen Glauben an Gott und einem Spaziergang "ins Licht" begegnen wolle. Das Internet sah sie daraufhin knietief durch Xavier Naidoos Kinderblut-Theorien waten. Die sozialen Netzwerke sind eben ein Gericht, vor dem stets die Schuldvermutung gilt.
Aber zurück zur Theorie: Was viele der prominenten "Corona-Skeptiker" eint, ist eine gewisse Beschäftigungsarmut. Die Pandemie-Maßnahmen machen Konzerte und große Auftritte nahezu unmöglich. Die erzwungene Untätigkeit fördert zunächst einmal das berechtigte Gefühl der Existenzbedrohung zutage, das nicht wenige dann aber in Sinnsuchaggressionen treibt, wie wir sie von den "Querdenkern" kennen. Warum auch an die quälende Willkür eines Virus glauben, wenn sich Merkel und Drosten als sinistre Diktatoren und Lenker anbieten?
Was macht der Künstler, wenn der Applaus ausbleibt?
Nun lebt der Künstler aber vor allem vom Applaus, und wenn der ausbleibt – was dann? Wo ist der Resonanzboden so laut, dass er als eine Art Methadonprogramm funktioniert? In Chatgruppen wie Telegram! Da wird der Promi als Stauffenberg der Masken-Résistance bejubelt, der Applaus fällt so heftig aus wie die Wut. Für jemanden wie den Wendler, dessen Mutter nicht müde wird, ihren Sohn in jedem Interview als labil zu bezeichnen, muss es der Aufnahme in eine Kommune gleichgekommen sein, diese ganze Liebe in Hildmanns Colonia Indignidad. Spätestens als ihm plötzlich rund 100.000 Fans (virtuell) zujubelten, hätte zwar selbst er merken müssen, dass da etwas faul ist, aber… nun ja.
Wobei, vielleicht übersehen wir auch etwas. Womöglich ist der ganze Verschwörungsirrsinn inklusive Corona-Flucht nach Florida einfach nur ein cleverer Trick des Steuersünders Wendler, um sich der deutschen Justiz zu entziehen. Und vielleicht kam Nena der Wirbel um ihren Post gar nicht so ungelegen, ist doch gerade ihr neues Album erschienen.
Für alle anderen Promis, die im Wartestand kurz vorm Durchschmoren der Synapsen sind, sollten wir ein Präventionsprogramm schaffen. Musikalische Begleitung während der "Tagesschau", Gebärdendolmetscher bei Lanz. Oder gleich ein Allround-Angebot wie das Promi-Boxen. Das hält fit, man kann sich kräftig anfeuern lassen, und jede verunglückte Meinungsäußerung lässt sich hinterher auf den ein oder anderen Kopftreffer schieben.