Sie stehen im Geröll, wo eben noch ein Wohnhaus war. Inmitten von noch qualmendem Schutt, links und rechts neben ihnen verzweifelte Menschen, die die Reste ihrer Existenz in einer abgescheuerten Plastiktüte davontragen.
Sie sitzen zusammen mit Talibanführern, die ihren ihre kruden Thesen ins Diktiergerät sprechen. Oder sie womöglich gleich als Geisel nehmen, weil westliche Reporter oder Journalistinnen dann eben doch ganz wertvoll sind. Warlords, Kindersoldaten, junge Frauen mit umgeschnallter AK 47 begegnen ihnen so regelmäßig wie uns Fremde in Straßencafés.
Sie haken sich unter bei den todesverachtenden Klitschkos und sitzen in der ersten Reihe in einem kleinen, muffigen Konferenzraum, während der ukrainische William Wallace Selenskyj müde und doch von einer übernatürlichen Energie eine Rede hält.
Sie haben mitunter nicht nur geografisch jede Distanz verloren
Der menschenleere Gegenverkehr ist ihre Straße, ihr Weg. Da, wo ihnen schreiende und weinende Menschen zu Hunderttausenden entgegenkommen, suchen sie das Ortseingangsschild, wo kein Ort mehr ist. Stahlhelm und kugelsichere Weste sind ihr Signature-Look. So selbstverständlich getragen wie Batmans Rüstung oder Tom Fords Anzug.
Das ist für uns maximal seltsam, widerspricht es doch allem, was wir über den menschlichen Selbsterhaltungstrieb wissen. Ist das noch Reportage oder schon journalistisches Borderline, dieser Antrieb, sich dorthin zu begeben, wo jeder "normale" Mensch nicht nur bildlich die Flucht ergreift? Können diese suizidalen Narzissten sich nur noch selbst spüren, dort, wo Raketen einschlagen und Sirenen heulen? Wenn einer am Ende einer solchen Laufbahn ein Feldbett im Büro stehen hat, dann möchte man schon mal eine etwas reizärmere Betätigung empfehlen.
Was treibt Menschen an wie Clarissa Ward, Paul Ronzheimer, Matthew Chance? Ist es Geltungsdrang? Echtes Interesse?
Fragen in gewohnter Feindseligkeit ausgerechnet dieselben, die täglich mehrfach jeden noch so belanglosen Befindlichkeitsmüll auf dem digitalen Trottoir abstellen. Müssen sich ab fünf Grad Außentemperatur einen E-Scooter mieten, um es schneller zurück ins Warme zu schaffen, aber vergeben vom Fat Boy aus Haltungsnoten.
Die von den eben noch kritisierten Dokumentationsmärtyrern produzierten Bilder und Videos wiederum verwenden wir alle gerne, um sie mit unseren eigenen Gedanken und Gefühlen garniert zurück in Insta-Stories und Tweets zu drapieren. Als Content-Lieferanten sind die Melkkühe in Schutzwesten dann eben doch gut genug.
Natürlich ist der Kriegsreport auch Selbstdarstellung
Ebenso wie z.B. das Moderieren von Fernsehshows, das Theaterspiel oder das besonders masochistische Amt der Politikerin. Hier allerdings riskiert man Nerven oder den letzten Rest Selbstachtung. Eher selten die eigene Unversehrtheit. Wissend, dass ich als Mensch eindeutig den Fluchttieren zuzuordnen bin, bleibt mir angesichts dieser seltsamen Profession nichts als Kopfschütteln, komplettes Unverständnis.
Aber eben auch Anerkennung dafür, dass mir durch diese hautnahe Berichterstattung Bilder geliefert werden, die mich von der Couchlandschaft reißen und in ihrer Dringlichkeit diesen Horror, diesen Irrsinn, aber auch immer wieder Bilder tiefer Menschlichkeit greifbarer machen, als es reine Zahlen und Fakten es nicht könnten.
Sie bewahren uns vor der Gewöhnung an Eilmeldungen und Breaking Noise. Wie zur buchstäblichen Hölle soll dieses Material denn sonst entstehen. Mögen sie alle heil zurückkommen.