M. Beisenherz - Sorry, ich bin privat hier Alle gegen den Todesstern des Südens

Eine Kolumne von Micky Beisenherz
Er wettet heute Abend 100 Euro auf den HSV: Micky Beisenherz glaubt zum Start der Bundesliga nicht an den Sieg der Hamburger gegen den FC Bayern München. Doch wenn, will er sich von seinem Gewinn ein Haus an der Alster kaufen können.

Du blickst in dieses Gesicht, das in dir Emotionen auslöst wie jeder miese Abend, den du jemals hattest, und doch freust du dich, weil der Anblick von Karl-Heinz Rummenigge auch bedeutet: Das Warten hat ein Ende.

Wenn die Kameras heute Abend das leblose Gesicht des Bayern-Kalifen auf der Tribüne abschwenken, ist das wie eine Lachgas-Einspritzung für meinen Empfindungsapparat. Da ist sie wieder, die alte Wut, der Schmerz, die Freude. Das Mitleid. Doch Letzteres entfällt mittlerweile gänzlich auf den ersten Gegner des FC Bayern: den HSV.

Als die Hamburger vor wenigen Tagen gegen einen Viertligisten aus dem DFB-Pokal flogen, meinten Experten, der Verein würde mit einem schweren Rucksack in die Saison gehen. Nun wissen wir: Nicht mal auf den kann er aufpassen.

Die Hamburger Realität ist witziger als jede Comedy

Sollte es das Saisonziel gewesen sein, schon vor dem ersten Spiel der neuen Bundesligasaison den Ruf als Lachnummer der Nation zu zementieren - der Hamburger Spott Verein hat es geschafft.

Erst die Pokalklatsche, dann verbummelt Turnbeutelvergesser Knäbel sensible Daten - und im Fanshop verkaufen sie T-Shirts mit Hertha-BSC-Schriftzug. Als nächstes verpflichten die Hanseaten Deso Dogg als Stürmer. Oder Pressesprecher. Ist ja eigentlich auch schon egal.

Das, was Beiersdorfer und Co. sich jetzt schon geleistet haben, hätte ich mir nicht schöner ausdenken können. Da überholt die Realität die Comedy auf dem Standstreifen. Spieler, Geschäftsführer, T-Shirt-Bedrucker.

Bedauerlicherweise wird die ganze Wurstigkeit des HSV auf diesen drei Ebenen so offenbar, dass die Rothosen in diesem Jahr tatsächlich die Sensation schaffen könnten: den direkten Abstieg. Ohne Relegation. Einfach so.

Ich wiederhole mich da gern: Der HSV hatte immer das Potenzial, der FC Bayern des Nordens zu werden. Selbst der spöttische Vergleich "der FC Köln des Nordens" hinkt derweil. Sie sind einfach: Der HSV des Nordens. Und das ist nicht gut.

So viel können junge Eltern ihrem Nachwuchs gar nicht schenken, was sie durch einen Besuch im Volksparkstadion in der zarten Kinderseele kaputt machen.

Wohin die Reise der Hanseaten geht, scheint klar. Ebenso der Ausgang der Meisterschaft. Zu stark wirkt der FC Bayern schon jetzt. Aber viermal hintereinander Meister? Das geht doch gar nicht! Das hat noch keiner geschafft!

Mag sein. In einem Elfmeterschießen komplett ohne Tor zu bleiben, haben sie bis dato auch noch nicht geschafft. Horst Seehofer hat Recht: Bayern ist Innovationsmeister.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Sehr schnell wird man sehen, welchem Verein es gelingen könnte, die Dominanz von Peps FC Barca München zu brechen. Die Liga fürchtet Hispanos mittlerweile mehr als Donald Trump. Manch einer ist schon so verzweifelt über die Allmacht der Süddeutschen, dass er heimlich dem VfL Wolfsburg die Daumen drückt. Das allerdings fühlt sich für den geistig gesunden Fan, als würde man Husten mit Domestos gurgeln bekämpfen.

Wer aber soll es sonst machen? Schalke? Die sind immer ein Kandidat, wenn es darum geht, ganz oben anzugreifen - zumindest, bis ihnen irgendwann einfällt, dass sie der FC Schalke sind. Woraufhin sie den Spielbetrieb solange einstellen, bis keine Titelgefahr mehr droht.

Wie steht es eigentlich gerade um die Schalker Abgänge? Allein Boateng verdient mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Griechenland. Zuletzt sind dermaßen viele Knappen durch den Medizincheck geflogen, dass die WHO bald 'ne Reisewarnung für Gelsenkirchen ausspricht. Wer auch immer dorthin reisen wollte.

Ähnliches gilt für Leverkusen. Ein Club, der seit Jahren ausschließlich dafür da zu sein scheint, dass HSV-Jungtalente endlich erfahren wie es ist, in einem Profiteam zu spielen. Davon ab scheint man bei Bayer vollauf damit zufrieden zu sein, dass man von der Nummer eins soweit entfernt ist, wie der Torwart hinter Manuel Neuer (in diesem Falle der etwas überraschend von Stuttgart in die Frührente gewechselte Sven Ulreich).

Würde Rudi Völler nicht ab und zu Amok schnäuzern, sie würden völlig unbeachtet vor sich hinbrillieren, denn: Schönen Fußball können sie seit Jahren.

Mönchengladbach dürfte durch die Zusatzbelastung Champions League so vereinnahmt sein, dass nach ganz oben nix geht. Ein Problem, das die Dortmunder gerne hätten.

Der BVB lernt völlig neue Länder kennen

Nach Jahren im Borchardts Champions League diniert man plötzlich an der Raststätte Europa League und lernt Länder kennen, die man höchstens mal in den Tagesthemen oder "Aktenzeichen XY" gehört hat.

Interessant werden zwei Dinge sein: Kann der BVB die Bayern noch einmal ärgern? Und was ist am Ende dünner? Die Torausbeute - oder Thomas "el Flaco" Tuchel? Zumindest die letzten Spiele ließen darauf hoffen, dass es in puncto Offensive aufwärts geht.

Ich mein, ey: Wenn Hattrick Mkhitaryan drei Tore in einem Spiel schießen kann, dann glaube ich sogar wieder an das Abitur von Kevin Großkreutz. Oder das Trainerengagement von Stefan Effenberg. Wenn die Schwarzgelben morgen Gladbach schlagen, sind sie zumindest Weltpokalsiegerbesiegerbesiegerbesieger.

So, ich geh jetzt erstmal 100 Euro auf den Sieg vom HSV setzen. Bei der Quote ... . Wenn DAS heute Abend hinhaut, kauf ich mir morgen von dem Geld ein Haus an der Außenalster.

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