Aus Spaß wurde Ernst. Ernst wäre im November 90 Jahre alt geworden. Mit dem erfolgreichsten Trainer in seiner Vereinsgeschichte, Ernst Happel, gewann der Hamburger SV nicht nur deutsche Meisterschaften, sondern auch Fans weit über das damalige Rund im Volksparkstadion hinaus. Gemeinsam mit Manager Günter Netzer prägte er den Verein als starke Persönlichkeit, für ihn galt das Leistungsprinzip. Das Umfeld, das Potenzial, die Fans: die Rohstoffe sind auch im 21. Jahrhundert identisch, das Ergebnis ein komplett anderes.
Aus Ernst wurde über die Jahre Spaß. Spaß, sich über den HSV lustig zu machen. Kaum vergeht ein Tag, an dem die eigenen Fans beim Lesen der täglichen Berichterstattung nicht den Kaffee auf haben, bevor sie die erste Tasse trinken: Grund ist das Fehlverhalten der handelnden Personen oder Dritter im Umgang mit dem vor einem Jahr ausgegliederten Verein. Die Zielsetzung damals: Professionalisierung. Was angesichts der letzten Tage ein Schmunzeln hervorruft, war der Versuch, den Verein zurück in die Erfolgsspur zu bringen. Dort, wo der HSV hingehört und wo er noch vor wenigen Jahren mit Teilnahmen an Champions- und Europa-League zu Hause war.
Sonntag Pleite und Krawalle im DFB-Pokal, Montag die Gehaltsliste im Park, Dienstag das Berühren von Schornsteinfegern beim Training, Mittwoch die Hertha-Choreo auf einem Shirt im eigenen Merchandising-Shop. Wer eine Steigerung zum HSV sucht, muss in diesen Tagen Dittsche oder die Heute Show schauen.
Auch ich habe mich hinreißen lassen, Witze zu machen: Vor der ersten Relegation war ich noch Daumen drückend beim Training, während der zweiten habe ich Sprüche von Fans aufgenommen, eigene hinzuaddiert und mit einem Schmunzeln die Entwicklung des HSV begleitet. Immer in dem Glauben, dass der HSV es aus der eigenen Kraft schafft, den Turnaround hinzubekommen. Ich glaube, wir haben uns geirrt. Massiv. Ich glaube, dass wir nun gefordert sind, dem HSV von außen zu helfen: Durch ermutigende Worte und durch Taten. Dadurch, dass wir Rucksäcke einfach zur Polizei oder zum Inhaber zurückbringen und nicht mit der Presse zu Fundorten gehen oder Fotos von Übergaben machen. Dadurch, dass wir auf einen Post und zusätzlichen Spruch verzichten.
Ich werde jedenfalls bis auf Weiteres keine Witze mehr über den HSV machen. Ich würde mich freuen, wenn sich viele diesem Appell anschließen. Die Stadt verdient eine neue sportliche und kommunikative Chance (ich verdanke schließlich auch einem Hamburger Kaufmann meinen Vornamen Hans).
Ich gehe jetzt in jedem Fall Marzipan-Glücksschweine essen und vierblättrige Kleeblätter sammeln. Nur für den Fall, nur für den HSV und nur damit es am Freitag beim Eröffnungsspiel der 53. Bundesliga-Saison gegen die Bayern nicht zweistellig wird.
Euch allen einen tollen Saisonstart!
Euer Hans