Berliner Gratiskonzert Was von Robbie übrig blieb

  • von Georg Fahrion
Mit einem Gratiskonzert hat Robbie Williams seine deutschen Fans überrascht. Rund 7000 kamen in Berlin zusammen, um den britischen Popstar zu sehen. So richtig warm mit ihm wurden die Zuschauer jedoch erst am Schluss.

Musikgott von der Insel, größter Entertainer der westlichen Hemisphäre, selbstzerstörerisches Genie mit Hang zu Rauschmittelexzessen und Groupie-Sex: Robbie Williams gleich Rock'n'Roll. Das war zumindest mal so.

Drei Jahre ist es her, dass ein ausgelaugter Superstar seine Welttournee abbrach und sich, mit Depressionen kämpfend, ins amerikanische Exil zurückzog. Dort ließ er seine Medikamentensucht behandeln, fand - nach mehreren Anläufen - eine hübsche neue Freundin, der er angeblich sogar treu ist, und sammelte Kraft. Die entlädt Robbie Williams nun in einem Comback-Versuch.

"Reality Killed The Video Star" heißt das neue Album, das am 6. November erscheint. Und am Freitagnachmittag hat "Robbie" seinen treuen deutschen Fans ein paar seiner neuen Songs vorgestellt. In einem am Tag vorher angekündigten Mini-Konzert in Berlin, sechs Songs, umsonst und draußen. Der zweite Auftritt seit 2006. London war vergangene Woche dran.

"Alles gut, ja?"

Berlin-Prenzlauer Berg, kurz vor 16 Uhr. Vor der Bühne auf dem Platz vor der Max-Schmeling-Halle schiebt sich die Masse hin und her. Rund 7000 sollen es gewesen sein. Im angrenzenden Park drängen sich Enddreißiger durchs Hagebuttengebüsch, um besser sehen zu können. Kinder in Fleecejacken klettern in die Bäume. Der ganze Prenzlauer Berg scheint auf den Beinen: Mädchen mit Pailletten-Mützen, junge Mütter, Lederjackenträger mit ergrauten Schläfen. Aus den riesigen Boxen pulst House-Musik. Graue Wolken verhängen den Himmel. Nieselregen.

Als um 15:59 Uhr die Musik verstummt, fängt die Menge vor der Bühne schon mal an zu jubeln. Um 16:01 Uhr steigt die Band auf die Bühne. Um 16:02 Uhr erscheint ER. Keine Anmoderation, kein großer Gestus, aber gut sieht Robbie Williams aus, erholt. Das Gesicht glattrasiert, akkurate Lederschuhe, und die flächendeckenden Tattoos fast zur Gänze unter einem blauen Kittel versteckt. Nur die Stimme ist noch nicht ganz warm.

Die eingefleischten Fans, die seit Stunden vor der Bühne gewartet haben, tanzen trotzdem, als er seine neue Single "Bodies" singt. Die große Masse zögert noch. "Alles gut, ja?", vergewissert sich Williams denn auch. Auf Deutsch, man will ja verstanden werden. Die Backgroundsängerinnen trällern, schnell ist der erste Song vorbei. Der Applaus auch. "Are you warming up?", fragt der Star.

Robbie, die Touristenattraktion

Doch warm werden tut das Publikum nicht so recht. Der Jubel klingt fast pflichtschuldig. Als drittes Stück singt Williams seinen Klassiker "Feel". Jeder, der ein Radio besitzt, kennt es. Doch als Williams zum Mitsingen auffordert, muss er nach der zweiten Zeile wieder selbst übernehmen, so zaghaft singt der Publikumschor. Mit gereckten Hälsen und ernstem Gesichtsausdruck stehen viele da und sind damit beschäftigt, den Popstar mit der Digitalkamera einzufangen. Robbie Williams, der Gedanke drängt sich auf, ist vom Rock'n'Roller zur Touristenattraktion mutiert. Er wird begutachtet, wie das Brandenburger Tor oder der Fernsehturm. Mit Begeisterung für seine Musik hat das weniger zu tun.

Erst die beiden letzten Songs bringen den Knoten zum Platzen: der Riesenhit "Angels" und "Come Undone", Monumente wie der Mann selbst, der sie singt. Williams witzelt wie früher, liest einen zotigen Liebesbrief vor, macht dem Publikum Komplimente. Das fasst sich endlich ein Herz und singt mit.

Wie funktioniert also der neue Robbie Williams, nach Absturz und Läuterung? Er funktioniert nur als der alte - abzüglich der Schnapsfahne. "Ich bin Robbie, nett dich zu treffen", begrüßt er ein Kind im Publikum. "Deine Großmutter und dein Großvater könnten mich kennen."

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