Er ist der Großmeister der Vielfalt. So viele unterschiedliche Rollen wie David Bowie hat in der Welt der Musik bislang kein anderer gespielt. Den inneren Kraftquell, der dafür sorgt, dass Bowie bei aller Wechselhaftigkeit immer noch Bowie bleibt, hat sich der Superstar einst aus Asien mitgebracht: Seit Jahren ist der Mann, der zu den reichsten Künstlern Großbritanniens gehört, aber meistens in New York lebt, aktiver Buddhist. Aus dieser humanen Grundüberzeugung heraus engagiert sich Bowie oft für wohltätige Zwecke. Sicherlich auch deshalb, weil er durch seine schöne, aus Somalia stammende Model-Frau Imam gelernt hat, wie viele Menschen dort und in etlichen anderen Ländern im Elend leben.
"Alles hat sich verändert" - so lautete im Jahr 2000 Bowies gesungene Erkenntnis. Wenige Monate zuvor, im August, hatte Imam seine Tochter Alexandra zur Welt gebracht. Für Bowie Anlass genug, sich zurückzulehnen, über sich, seine Lieben und das Leben nachzudenken. Ein Ergebnis war das Album "Heathen" - ein wunderbares Comeback nach einer Zeit des Abtauchens, und ein ganz erstaunlicher Auftritt: Nachdenkliche Texte, besonnene, fast spirituelle Rhythmen, ungeschminkt und ohne den glitzernden Firlefanz, der früher bei Bowie meist dazu gehörte.
"Major Tom" verschwand
Wo sind bloß die Zeiten geblieben, da Bowie auf der Bühne oft genug die Erotomanen-Show von Mick Jagger noch überbot, fragten sich viele beim "Heathen"-Hören. Wohin war "Major Tom" verschwunden, Bowies Alter ego aus der Rock-Science-Fiction-Phase? Und der außerirdisch-bisexuelle Typ Ziggy aus "The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars", der bleiche "Thin White Duke" oder auch Bowie im Frank-Sinatra-Stil?
Drogen, insbesondere Heroin, waren Zutaten einer langen Phase der Exzentrik in Bowies Leben und Schaffen. Sie brachte ihn dem Abgrund nahe, zugleich aber wurde sein ungeheurer Kultstatus als "Chamäleon" der Musikszene begründet und gefestigt. Schließlich lag in der zweiten Hälfte der Siebziger Berlin am Wegesrand des umtriebigen Briten. Die Atmosphäre in der eingemauerten und ebenso spannenden wie entspannenden Frontmetropole half ihm, die Geißel Heroin zu besiegen. Hier entstand "Heroes", das Album, das manche für sein bestes halten. Die Drogenerfahrung sang er sich damit aus dem Leib. Und der Titelsong ging ein in den Soundtrack zu "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo."
Größte Erfolge in den 80er Jahren
Was in den Achtzigern kam, war quasi Filterpop, befreit vom Düsteren der Drogenphase, geradeaus, aber ebenfalls ungemein professionell. Kommerziell war diese Zeit erfolgreicher als alles, was Bowie vorher versuchte, mit Welthits wie "Let's Dance" und "China Girl". Dennoch blieb er sich treu. Er bot eingängigen und doch zugleich so anspruchsvollen Pop, dass er weiterhin zur Avantgarde gerechnet wurde.
Schließlich gelang Bowie 2004 mit "Reality" ein weiterer Späterfolg, wenn auch ein eher verhaltener, nicht so bejubelt wie sein Comeback mit "Heathen". "Reality" geriet zur Liebeserklärung an New York, aber ohne die Überschwänglichkeit, die Erstbesucher des "Big Apple" oft erfasst. Realitätsnah eben. Dazu zeigte Bowie auch bei einer Show in Deutschland, dass er immer noch wie Jagger über die Bühne toben kann.
Der Warnschuss kam in Form einer Herzattacke. In Hamburg musste Bowie vor zweieinhalb Jahren wegen einer Gefäßverstopfung operiert werden. Schon bald darauf war er wieder auf den Beinen und Bühnen. Nicht zuletzt, um im Februar des vergangenen Jahres den Ehren-Grammy für sein musikalisches Lebenswerk entgegenzunehmen.
Thomas Burmeister/DPA