Er gilt als das Chamäleon der Popmusik: David Bowie hat das Spiel mit verschiedenen Charakteren und Identitäten beherrscht wie kein zweiter Musiker. Es war vor allem eine Kunstfigur, die ihm den Durchbruch bescherte: Ziggy Stardust.
Genau davon erzählt der in Berlin lebende Zeichner Reinhard Kleist in seiner Graphic Novel "Starman – David Bowie's Ziggy Stardust Years": Wie aus einem damals mäßig erfolgreichen Musiker, der als One-Hit-Wonder in die Geschichte einzugehen drohte, ein Weltstar wurde. Kleist schildert den Einfluss von Bowies USA-Reise 1971 und seine Begegnung mit Andy Warhol auf die Schöpfung dieser neuen Figur. Die eine Hybrid-Identität besitzt: einerseits ein Außerirdischer zu sein schien, aber gleichzeitig ein gefeierter Rockstar. Der vor allem das Spiel mit der sexuellen Identität und den Geschlechterrollen auf die Tagesordnung setzte.
Was heute weit verbreitet ist, war damals eine Revolution. Der Zeit für solche Experimente war in den frühen 70ern gekommen - und Ziggy war zur Stelle. Parallel dazu verkündete der echte Bowie, der zu dem Zeitpunkt verheiratet war und einen Sohn hatte, dass er bisexuell sei.
David Bowie wird zu Ziggy Stardust
Das Buch setzt ein im Jahr 1971, Bowie hat gerade sein Album "Hunky Dory" fertig gestellt. Eines seiner großen Meisterwerke, zu der Zeit aber noch kaum erkannt. Für den richtigen Durchbruch zum Weltstar fehlt noch ein Alter ego. Er wird es kurz darauf in Ziggy Stardust finden - der auf seiner kommenden Platte verewigt wird. Von da an geht alles von selbst. "Du bist ein Außerirdischer, der sie in eine andere Welt mitnimmt, raus aus Birmingham, Stratford oder woauchimmer" - so lautet eine in dem Buch gegebene Erklärung, weshalb Ziggy Stardust so viele junge Menschen begeistern kann.
Das großartig gezeichnete Buch ( Farbgebung: Thomas Gilke) schildert aber auch die Schattenseiten des Ruhms: Bowies zunehmende Exzentrik, seine ausschweifenden Alkohol- und Drogenexzesse und auch seine sexuellen Eskapaden. Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten treten darin auf. Darunter die Musiker Iggy Pop und Lou Reed, deren Solokarrieren Bowie mit anschiebt, sowie der legendäre Produzent Tony Visconti.
In zahlreichen in den Handlungsverlauf verschränkten Rückblicken erzählt Reinhard Kleist von Bowies Kindheit im unterkühlten Elternhaus im Londoner Vorort Bromley. Seine Liebe zu seinem Halbbruder Terry, und seine Begeisterung für die Musik und seinen ersten, erfolglosen Schritten in der Londoner Musikszene. Wie aus David Robert Jones schließlich David Bowie wird, und der seine Solokarriere startet und über Umwege seinen eigenen Stil findet.
Ein zweiter Teil ist bereits unterwegs
Der Leser erfährt nebenbei vieles andere Wissenswerte. Etwa wie der Musiker sein Markenzeichen bekam: die Verschiedenfarbigkeit seiner Augen. Als Folge einer bei einer Schlägerei zugezogenen Verletzung hatte sich das linke Auge verfärbt, die Pupille blieb dauerhaft erweitert. Auch das wusste Bowie geschickt einzusetzen für sein Image.
"Starman" ist nur der erste einer auf zwei Bände angelegten Bowie-Biografie. In "Low – David Bowie's Berlin Years" wird es dann um die Jahre in Berlin gehen, die er selbst einmal als seine "glücklichste Zeit" bezeichnete. Wer also nach der Lektüre auf den Geschmack gekommen ist, darf sich auf baldigen Nachschub freuen.
Reinhard Kleist: "Starman - David Bowie's Ziggy Stardust Years" ist bei Carlsen erschienen und kostet 25 Euro. Mehr unter www.carlsen.de