Kennen Sie diese Leute, die immer mehr und mehr wollen, obwohl sie doch eigentlich schon alles haben? Die den Mund nicht voll genug bekommen können, obwohl es doch wirklich mal an der Zeit wäre aufzuhören? Dieter Bohlen ist für mich so einer. Er zählt zu den erfolgreichsten deutschen Produzenten aller Zeiten. Das ist ja schon mal was. Fast jeder kennt ihn, er hat über eine Million Follower auf Instagram, sitzt noch immer bei zwei großen RTL-Shows in der Jury, hat Familie und produziert unter anderem für Andrea Berg. Das alles muss man ihm ja schon anrechnen und man darf ihn meinetwegen für seinen Fleiß und Erfolg auch gern bewundern.
Aber: Muss der Mann mit 65 Jahren auch noch ein Album auf den Markt bringen und auf Tour gehen? Alleine? Klar, er war früher als Duo mit Thomas Anders super erfolgreich und nicht wenige lieben die Songs von damals auch heute noch. Selbst ich kenne mit meinen 27 Jahren "Cheri, Cheri Lady" und "Brother Louie" fast auswendig – auch wenn das so gar nicht meine Musik ist. Die Hits von "Modern Talking" sind unsterblich. Und brauchen daher für mich auch keine Generalüberholung oder müssen vom Bohlen wiederbelebt werden. Dieter Bohlen ist da wohl anderer Meinung: Sonst hätte er den Rapper Capital Bra wohl nicht dabei unterstützt, den Remix "Cherry Lady" zu veröffentlichen. Dieter Bohlen will mit Gewalt noch mal jung sein und hat mit einer Auszeichnung für seinen Instagram-Account ja auch gezeigt, dass er mit den Influencern noch mithalten kann.
Dieter Bohlen ohne Thomas Anders? Das funktioniert nicht
Alles schön und gut. Doch warum muss er auf seinem neuen Album "Dieter feat. Bohlen – Das Mega Album" (was ist das überhaupt für ein Name?) die alten "Modern Talking"-Hits neu einsingen? So völlig ohne neuen Dreh, kein neuer Beat, keine neue Version, einfach der gleiche Song ohne Thomas Anders. Für mich ergibt das keinen Sinn. Und vor allem: Es macht die Songs nur schlechter. Jeder hatte sie in guter Erinnerung. Doch wenn man sich die neue Bohlen-Version von "Brother Louie" anhört, muss man schon irgendwie zusammenzucken. Dazu ein Video, das manche in wenigen Minuten mit einer App besser hätten zusammenschneiden können. Wirkt wenig jung und frisch, sondern eher altbacken und überholt.
Einige User bringen es unter dem Video ganz gut auf den Punkt: "Wenn ich das Video sehe, muss ich sagen, Müll, Dieter Bohlen ist ein Vollprofi, aber das Video ist die Arbeit von einem Hobbyfilmer, da passt irgendwie nichts zusammen" und "Lass lieber Thomas singen (...), sonst ist vergleichen unvermeidbar. (...) Finger weg von 'Modern Talking'-Hits."
Album kommt, kommt nicht, kommt doch – was denn jetzt?
Sowieso sorgte Dieter Bohlen zuletzt für Verwirrung: Erst hieß es im April, Dieter Bohlen würde im Sommer ein neues Album auf den Markt bringen, auf dem es auch neue Songs mit Kay One oder Pietro Lombardi geben wird. Das klang ja alles noch ganz cool – aber auch nach einem ziemlich sportlichen Programm in so kurzer Zeit. Dann aber die Ernüchterung: Dieter erklärte auf Instagram, er werde es doch nicht schaffen. Entweder gibt es die Tour oder das Album.
Und jetzt die erneute Kehrtwende, wohl um dem Wunsch seiner Fans gerecht zu werden. Ich finde: Statt mal eben schnell ein Album zusammenzuschustern, hätte er es lieber wie geplant ganz lassen sollen – und dann auch noch in so einer Form: drei CDs mit insgesamt 50 Hits, die Dieter Bohlen vollkommen allein eingesungen hat. Dazu der Hinweis auf der CD: "Bei den TV-AUDIO Mitschnitten der CD3 Track 1+2 handelt es sich um ZDF-Originalmitschnitte, welche zur damaligen Zeit in einer minderen, teilweise Mono-Qualität gesendet wurden." Für mich wirkt das alles so, als habe Dieter Bohlen das Album tatsächlich ziemlich schnell zusammengebastelt, um seinen Fans pünktlich zur Tour noch etwas bieten zu können – und zwar den richtig eingefleischten Fans. Denn wer sonst kauft sich noch CDs? Vor allem solche, die nur noch mit Dieter Bohlens Stimme bespielt sind und dazu noch ein 24-seitiges Booklet mit Bildern des Pop-Titans enthalten? Völliger Dieter-Bohlen-Overload, würde ich behaupten.
Dieter Bohlen ist und bleibt ein Fan-Liebling
Ich habe wirklich nichts gegen Dieter Bohlen, finde ihn vor allem auf Instagram mittlerweile sogar ziemlich sympathisch und finde es beeindruckt, dass er auf fast jeden Kommentar seiner Follower antwortet. Hut ab! Aber ich finde, er sollte bei dem bleiben, was er kann: Sprüche im TV klopfen, seine Fans entertainen und gute Musik produzieren. Und nicht sich selbst als "Modern Talking"-Solo-Act zur Schau stellen. Das ging schon bei seinem Auftritt in Moskau in die Hose und kann ziemlich schnell von Bewunderung in Fremdschämen umschwenken.
Und obwohl das alles sehr skurril, selbstverliebt und völlig unnötig ist, wird sich das Album sicherlich trotzdem verkaufen. Und die Fans werden trotzdem in Scharen auf seine Tour gehen. Einfach, weil es noch viel zu viele Leute gibt, die Dieter Bohlen für alles feiern, was er macht. Auch, wenn das mit Pop-Titan-Qualität so gar nichts mehr zu tun hat.