Franz Ferdinand Melodisch, dreckig, gut!

Können Gitarren, Bass und Schlagzeug glücklich machen? Sicher - solange sie von Franz Ferdinand gespielt werden. Nach dem Erfolg des Debüts ist jetzt das zweite Album der Glasgower Band erschienen.

Ganz früher mussten Männer nur jagen, töten und sich fortpflanzen. Von Tanzen war nie die Rede. Seitdem leiden Männer still, aber würdevoll: Wer Arme, Beine und Becken nicht danceflooradäquat zu koordinieren vermag, steht auf Partys eben einfach cool rum. Oder holt Bier. Oder hofft darauf, dass endlich jemand Franz Ferdinand spielt. Dazu kann jeder.

Eigentlich wollten die vier Jungs immer nur Musik machen, um Frauen zum Tanzen zu bringen. Jetzt hüpfen sogar die Kerle. Oder zappeln. Oder stürmen einfach unkontrolliert durch die Gegend - was sich zu glasklaren Gitarrenriffs und treibendem Bass gar nicht einmal schlecht macht.

Hier die gute Nachricht für alle Bewegungsmutanten: Auch Franz Ferdinands zweites Album ist wie ein kräftiger Tritt in den Hintern. Musik zum Zappeln und Stürmen. Reine Energie. Der Beweis, dass man gleichzeitig dreckig wie ein Bahnhofsklo und eingängig wie Abba klingen kann. Das Opus 2 ist zudem düsterer, komplexer und tiefer als das Debüt geraten. Was für eine Entwicklung!

Nicht mal drei Jahre

ist es her, dass die Briten Alex Kapranos, Nick McCarthy, Bob Hardy und Paul Thomson bei privaten Partys in der Glasgower Kunsthochschulszene auftreten. Sie spielen rohen Gitarrenpop mit einem Rhythmus und Drive, der vom ersten Takt an beeindruckt: Die melodiösen Gitarrenriffs entwickeln zusammen mit Schlagzeug und Bass so viel Druck, dass man verzweifelt nach irgendetwas sucht, das sich demolieren lässt.

Als die vier Musiker merken, dass in jedem ihrer Songs genug Ideen für drei weitere Songs stecken, nehmen sie ein Album auf und hoffen darauf, dass sich 500 Exemplare verkaufen lassen. Es werden über drei Millionen. Mit Musikpreisen überhäuft, sind "FF" plötzlich die stilprägende Gitarrenband Europas. Nicht nur musikalisch. Sie beeinflussen auch die Mode, kreieren eine Art zweite Modebewegung und legen so viel Wert auf ihr Äußeres, dass gegen Ende ihrer Welttournee ein Streit zwischen Alex und Nick um einen offenbar unpassenden Pullover zur öffentlichen Prügelei eskaliert. Frei nach dem Motto: "Wir können die Welt erobern, aber nur wenn das Hemd zum Sakko passt."

Es hätte nicht viel gefehlt, und das zweite Album wäre nie erschienen. Umso erstaunlicher, wie leicht der Band die Arbeit dann offenbar doch von der Hand ging. "You Could Have It So Much Better" platzt fast vor genialen kleinen Ideen, ohne dass Franz Ferdinand bei sich selbst hätte abschreiben müssen.

Der Titel des Albums ist ein dezenter Hinweis und Ausdruck eines unglaublichen Selbstbewusstseins: "Du könntest es so viel besser haben." Stimmt. Wie viel besser wäre das Leben mit weniger Radiopop und weniger Musikfernsehen. Wie wichtig wäre es, endlich mal den ganzen mittelmäßigen Kram aus der CD-Sammlung zu schmeißen und stattdessen mindestens einmal täglich Franz Ferdinand zu hören. Perfekte Songs wie "The Fallen" oder "Walk Away" zum Beispiel, die den ganzen Frust eines vertanen Tages in Luft auflösen. Die einem Ohren, Hirn und Kopf frei pusten. Und zu denen man je nach geistiger Verfassung hüpfen, zappeln und davonstürmen kann. Männer, ihr glaubt gar nicht, wie gut das tut!

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Tobias Schmitz

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