Für Deutschlands unermüdlichen Grand-Prix-Kämpfer Ralph Siegel beginnt wieder die nervenaufreibendste Zeit des Jahres. Wenn im lettischen Riga an diesem Montag die Proben für das Finale beim Eurovision Song Contest am 24. Mai starten, dann wird auch der Münchner Schlagerkomponist und Musikproduzent am Bühnenrand stehen. Diesmal hofft der 57-Jährige, mit Sängerin Lou und dem Song "Let’s Get Happy" Europas Schlagerkrone endlich wieder nach Deutschland zu holen. Für den Grand-Prix-Dinosaurier, der seit 1974 an dem Wettbewerb teilnimmt, ist der Contest zu einer Sucht geworden. Umso mehr schmerzt es Siegel, dass es gerade in der Heimat an Unterstützung mangelt.
Mangelnder Rückhalt in Deutschland
"Ich wünschte mir für unsere Grand-Prix-Künstler solch eine Unterstützung, wie sie unsere Sportler bei Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften erhalten", sagt der Schlagerkomponist, der zum 14. Mal für Deutschland im Finale an den Start geht. "Wir vermissen das natürlich schon - gerade wenn man sich die anderen Länder ansieht, wie die hinter ihren Künstlern stehen, wie dort in den Medien der eigene Künstler Rückenwind bekommt", sagt Siegel. "Im Ausland haben wir mit Lou bislang sehr positive Reaktionen erhalten."
Kritik und Häme musste der Musiker, der schätzungsweise mehr als 3000 Titel komponiert oder produziert hat, schon oft einstecken. Dabei kann Siegel, in dessen Haus in einem Münchner Vorort zahlreiche Goldene Schallplatten die Wände zieren, durchaus eine stattliche Bilanz vorweisen: "Es gibt so gut wie kein Land auf der Welt, in dem ich noch nicht in den Top Ten war", sagte er in einem Interview.
Siegels alte Songs sind noch heute Partyhits
Aus Siegels Feder stammen Hits, die noch heute auf vielen Partys ein Muss sind: "Griechischer Wein", "Fiesta Mexicana" oder "Dschingis Khan". Seine Grand-Prix-Karriere hatte der "Handwerker der Emotionen" ("taz") 1974 gestartet, zwei Jahre nach dem Tod des Vaters Ralph Maria Siegel. Der Komponist, der inzwischen die Siegel-Musikverlage seines Vaters übernommen und zusätzlich das Label Jupiter-Records gegründet hatte, verfasste damals Ireen Sheers Beitrag "Bye Bye, I Love You" für Luxemburg. 1976 folgte dann das Debüt bei der nationalen Vorentscheidung, und sechs Jahre später sein bislang größter Triumph: Mit "Ein bisschen Frieden", gesungen von Nicole, gewann er 1982 die Schlager-Krone.
Teilnahme beim Grand Prix ist eine Ehre
Beim Grand Prix gehe es ihm vor allem um die Ehre, ein Land vertreten zu dürfen, betont Siegel in Interviews immer wieder. Doch was dem Komponisten und seinem Texter Bernd Meinunger einst in schöner Regelmäßigkeit gelang, war in der Vergangenheit schwieriger geworden. Nach dem Relaunch der nationalen Qualifikation musste er 1998 gegen die Blödel-Show von Guildo Horn und dessen Komponisten Alf Igel alias TV-Moderator Stefan Raab antreten und kassierte eine Niederlage. Siegel schnaubte vor Wut und drohte, nie wieder teilzunehmen.
Seinen Rücktritt hatte Siegel auch nach dem Sieg mit Corinna May bei der Vorentscheidung im vergangenen Jahr angekündigt. Doch dann stürzte ausgerechnet die hoch favorisierte Sängerin in Tallinn (Estland) auf den 21. Platz ab - und der Komponist fühlte sich bei der Ehre gepackt. Er versuchte sein Glück in diesem Jahr erneut, sicherte sich mit Lou das Ticket zum Finale und ist wenige Tage vor der Entscheidung ganz zuversichtlich. "Dennoch muss man abwarten, was an dem Abend passiert - der Sound, das Licht, der Schnitt, die Performance, die Abendfassung und ein bisschen Glück gehören dazu."