Sie nehmen am Donnerstag beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) teil. Sind Sie ein Fan dieses Wettbewerbs?
Ich kenne ihn schon von klein auf. Wir haben uns das früher Jahr für Jahr angeguckt, mit Käseigel und Oma. Später gab's dann eine Grillfete mit Freunden. Ich merke aber, dass es vielen Menschen schwerfällt, sich den Grafen privat vorzustellen, weil ich aus meinem Privatleben nichts erzähle. Sie kennen ihn nur im schwarzen Anzug. Aber es sollte jedem klar sein, dass ich zuhause nicht im Anzug auf der Couch liege. Ist doch logisch.
Genau das wollte ich Sie fragen…
Ich merk das immer wieder: Diese bunte ESC-Welt und Unheilig geht für viele nicht zusammen. Aber das eine ist, wofür du dich als Mensch interessiert und was nie in die Öffentlichkeit kommt. Und dann ist da die Musik, die man macht.
Wie kamen Sie darauf, bei diesem Wettbewerb mitzumachen?
Ich hab schon lange mit dem Gedanken gespielt. Aber die eine Frage konnte ich mir nie beantworten: Welche Sprache? Soll ich meine Lieder in Englisch singen - denn ESC heißt internationales Publikum? Das hat sich 2013 geändert. Ich hatte ein ruhiges Jahr und habe mir neue Ziele gesetzt, was ich noch erreichen will. Und da entstand der Gedanke: Ich möchte nach 15 Jahren auf eine internationale Bühne kommen und gucken, ob es außerhalb von Deutschland, Österreich und der Schweiz Menschen gibt, die meine Musik mögen. Aber mit einem deutschen Lied. Denn ich kann nicht englisch singen. Das ist, wie wenn man zwei Welten zusammenzubringen versucht.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre Fans darüber abstimmen zu lassen, ob Sie beim ESC teilnehmen sollen?
Mir war wichtig, wie die Stimmung bei den Fans ist, vor allem wegen der deutschen Sprache. Dass ich beim ESC dabei sein will, stand für mich fest. Aber mir ist auch bewusst, dass ich den Traum nicht alleine träumen kann. Die Frage der Sprache war vorrangig: Es ist Ewigkeiten her, dass ein Teilnehmer mit einem deutschen Lied angetreten ist. Als dann 34.000 von 36.000 Ja gesagt haben, war klar, dass ich antrete.
Sie kommen aus Aachen, einer Stadt, die an zwei europäische Länder grenzt. Hat das Ihre Entscheidung, am ESC teilzunehmen, beeinflusst?
Das ist eher Zufall. Aber vielleicht ist es bei mir tief verwurzelt, weil es für mich normal ist, über die Grenze zu fahren, ohne das Auto auseinandergenommen zu kriegen. Man beschäftigt sich natürlich mit Europa, wenn man am ESC teilnimmt. Europa ist für mich ja nicht nur Wirtschaft, sondern ein riesengroßer Pool an Kunst und Kultur. Wir leben in einem Gebiet, wo seit mehr als sechs Jahrzehnten Frieden herrscht.
Der ESC ist ein knallbunter, von großer Heiterkeit geprägter Wettbewerb…
… und ich bin der erste Künstler in Schwarzweiß...
Haben Sie keine Angst, bei all den schrillen Exoten unterzugehen?
Nein. Erst einmal bewerben wir uns ja für diesen Wettbewerb. Wir werden so antreten, wie wir sind. Ich werde keinen rosa Anzug tragen, keine bunte Perücke und keine Plateauschuhe. Wenn du dir selber treu bleibst, dann kann es dir egal sein, wo du am Ende landest. Natürlich will ich gewinnen. Aber ich wäre richtig traurig, wenn ich mich verdrehen würde. Du musst glaubwürdig sein. Das ist die Lehre, die ich aus 15 Jahren im Geschäft sagen kann: Bleib dir selber treu und sei ehrlich. Was anderes geht nicht. Lügen haben kurze Beine.
Der ESC ist für etablierte Künstler riskant. Die Münchner Freiheit landete 1993 auf dem 18. Platz - danach war ihre Karriere vorbei. Auch den No Angels ist 2008 ihr drittletzter Platz nicht gut bekommen. Haben Sie keine Angst vor einem Absturz?
Wenn wir schlecht abschneiden, werden wir traurig sein, doch das Leben geht weiter. Ich will mich mit solchen Gedanken aber gar nicht befassen. Ich genieße die Möglichkeit, überhaupt nach Kopenhagen kommen zu können. Wenn ich immer Angst hätte, wäre ich nie so mutig gewesen, vor 16 Jahren meinen Beruf an den Nagel zu hängen, um Musiker zu werden. Auch wenn es abgedroschen klingt: Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum. Das macht doch Spaß: Diese großen Dinge zu träumen. Ich habe in meinem Leben so viele Menschen gesehen, die keine Chance mehr hatten, ihre Träume zu leben. Wenn bei mir mal die Lampen ausgehen, möchte ich immer sagen können: Ich habe es versucht.
Dass Sie so großen Erfolg haben würden, war vor 16 Jahren, als Sie Ihren Job aufgaben, alles andere als wahrscheinlich. Und dennoch haben Sie Ihren Plan mit großer Bestimmtheit durchgezogen. Haben Sie so etwas wie eine Berufung gespürt?
Wenn du von Kind auf stotterst, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du bist dein Leben lang still, oder du kämpfst dagegen an. Ich bin ein Mensch, der versucht, sich freizustrampeln und sein Ding durchzuziehen. Ich habe zum Glück eine Familie, die mir dabei hilft.
Haben Sie einen Favoriten in der ESC-Geschichte?
Ja, den Wild-Card-Gewinner. Seit Lena wissen wir, das ein Underdog, den keiner kannte, die Herzen der Menschen erreicht. Man wünscht sich doch eigentlich diese Aschenputtel-Geschichte. Der Nobody, der an allen vorbeizieht und den ESC gewinnt.
"Unser Song für Kopenhagen" live aus Köln am Donnerstagabend um 20.15 Uhr in der ARD.