Rain or Shine, das ist seit Jahren das Motto des Wacken Open Air, des größten Metal-Festivals Deutschlands. Egal ob stürmischer Regen oder Wüstenhitze, die 75.000 Besucher verwandeln das 1800-Seelen-Dorf in Schleswig-Holstein alljährlich in eine riesige Party. Doch wer schon länger nach Wacken fährt, weiß, dass es früher noch ein zweites Motto gab: "Sponsored by nobody". Gesponsert von niemandem - wer heute über das Gelände des Wacken Open Air läuft, mag das kaum noch glauben. Die Musik ist längst zur Nebensache geworden, stattdessen wird versucht, den Besuchern möglichst viel Geld aus den Taschen zu ziehen.
Solange man sich auf den Campingflächen oder im Dorf aufhält, ist die Wacken-Welt noch in Ordnung. Doch je näher man den Bühnen kommt, desto größer wird der Kommerz. Wer etwa vom Zeltplatz zum Festival-Zentrum läuft, muss an jeder Menge Buden vorbei, an denen deftiges Essen zu noch deftigeren Preisen verkauft wird. Ein handgroßes Stück Pizza, belegt mit etwas Käse und einer Schinkenscheibe, kostet stattliche vier Euro. Hotdogs gehen ab fünf Euro aufwärts über den Tresen. Und satt wird davon niemand.
Getränke zu Wucherpreisen
Am Festival-Gelände muss der Besucher zusätzlich durch eine Kontrollstation, deren einziger Zweck es ist, mitgenommene Getränke aus dem Verkehr zu ziehen. Bierdosen, große Tetrapaks oder mit Wasser gefüllte Plastikflaschen landen dort im Müll. So soll der Getränkeverkauf vor den Bühnen und im Wackinger-Village, einer Art Mittelaltermarkt, gesteigert werden. Aus Sicht der Veranstalter ist das nachvollziehbar, doch bei Temperaturen jenseits der 30 Grad ist das mehr als unverantwortlich.
Denn ein 0,3-Liter-Becher kostete in diesem Jahr vier Euro inklusive Pfand. Dabei ist es egal, ob der Becher mit Bier, Softdrinks oder Wasser gefüllt ist. Ein Liter Mineralwasser schlägt so mit stolzen zehn Euro zu Buche - das ist mehr als eine Maß Bier auf dem Oktoberfest. Nicht alle Metaller können und wollen sich das leisten, mit schweren Folgen: Mehr als 2000 Besucher lagen wegen Dehydrierung beim Rettungsdienst auf der Liege, hieß es in der festivaleigenen Wacken-Zeitung.
Besonders dreist: Die Becher sind innerhalb eines Jahres von 0,4 Liter auf 0,3 Liter verkleinert wurden, der Preis ist aber nur minimal gesenkt worden (3 Euro statt 3,50 Euro), sodass ein Liter Bier nun teurer ist als im Vorjahr. "Ich persönlich habe mich jedes Mal am Getränkestand so gefühlt, als ob irgendwo in Wacken jemand mit einer Schubkarre voll Geld durch die Gegend fährt und allen Leuten den Mittelfinger zeigt", schreibt ein User namens Sorrownator im Wacken-Forum.
Werbung überall
Auch sonst lassen sich die Veranstalter den Kult um ihr Festival gut bezahlen. Mittlerweile gibt es neben Wacken-Shirts in allen Größen und Farben auch Wacken-Kaffee samt passender Tasse, Wacken-Fähnchen fürs Auto, Wacken-Sonnenbrillen, Wacken-Met und Wacken-Grillschürzen im Sortiment der Händler.
Nervig ist auch die allgegenwärtige Werbung: Auf riesigen LED-Leinwänden rund um die Bühnen laufen zwischen den Shows Werbetrailer in Endlosschleife. Es gibt auf dem Gelände eine Tim-Mälzer-Fressmeile und einen Captain-Morgan-Turm, ein Wrestling- und ein Pokerzelt. Auf dem Festival-Bändchen, das jeder Besucher um den Arm gebunden bekommt, gibt es mittlerweile drei Werbe-Logos. In den vergangenen Jahren gab es zudem einen Jägermeister-Hochsitz und Wet-T-Shirt-Contests. Das mag unterhaltsam sein, doch mit Metal hat all das nichts mehr zu tun. Das Kultfestival ist zum Ballermann des Nordens geworden.
Schlager auf dem Wacken
Selbst bei der Musik hält der Mainstream langsam Einzug: In diesem Jahr sang Schlagerstar Heino gemeinsam mit dem Headliner Rammstein zur besten Zeit, was nicht bei allen Fans gut ankam. Im vergangenen Jahr trat Roberto Blanco mit den Thrash-Metallern von Sodom auf und gab "Ein bisschen Spaß muss sein" zum Besten. In diesem Jahr spielte zudem die ZDF-Fernsehgarten-Band Santiano, die nur mit viel Mühe dem Metal-Genre zugeordnet werden kann.
Vor allem hartgesottenen Metaller tun sich schwer mit der Entwicklung vom Kult-Festival zur Kirmes. "Wacken ist an allen Ecken und Enden nur noch ein reines Abzockfestival geworden", beschwert sich der User Wosch666 im Forum. "Dass es trotzdem Spaß macht und man immer wieder hinfährt, liegt schon lange nicht mehr an der Organisation. Die hat komplett den Boden unter den Füßen verloren."
Ansturm auf die Tickets
Dem Erfolg scheint das keinen Abbruch zu tun: Die ersten 10.000 Tickets für das Jubiläums-Festival im Jahr 2014 waren nach knapp drei Stunden beim Mitternachtsverkauf vergriffen - obwohl die Server stundenlang Probleme machten und noch einmal deutlich an der Preisschraube gedreht wurde. Knapp 175 Euro müssen Fans nun inklusive Porto für ein Ticket hinlegen. Zum Vergleich: 2010 kostete eine Karte 130 Euro, im vergangenen Jahr waren es 150.
Das von den Machern vielbeschworene Motto "Von Fans, für Fans" scheint der Gewinnmaximierung zu weichen. Der Kult ist längst zum Kommerz verkommen.