Keine Parallelspiele am 33. Spieltag Die DFL opfert den Wettbewerb auf dem Altar des Kommerzes

Der Wunsch vieler Fans ist klar: Bundesliga immer am Samstag um 15.30 Uhr – nicht nur am 34. Spieltag.
Der Wunsch vieler Fans ist klar: Bundesliga immer am Samstag um 15.30 Uhr – nicht nur am 34. Spieltag.
© Osnapix / Imago Images
Einmal Bundesliga am Freitagabend, einmal am Samstagabend, dreimal am Sonntag und nur viermal am Samstag um 15.30 Uhr. Der vorletzte Spieltag ist komplett zerfleddert. Mit ihrem Streben nach immer mehr Geld schadet die Deutsche Fußball-Liga dem sportlichen Wettbewerb, meint unser Autor.

Es geht um die Meisterschaft, die Plätze fürs internationale Geschäft oder um den Abstieg. Um Sein oder Nichtsein – keine Frage: Das Saisonfinale der Fußball-Bundesliga gehört zu den emotionalsten Wochen im Sportkalender. Kein Wunder, ist es doch gute Tradition, dass der vorletzte und der letzte Spieltag nur eine Anstoßzeit kennen: Samstag, 15.30 Uhr. Neun Spiele auf neun Plätzen. Was in dem einen Stadion passiert, kann in dem anderen Auswirkungen haben – unmittelbar. Niemand feiert die Meisterschaft auf dem Sofa, keiner kann sich hängen lassen, weil die Konkurrenz im Abstiegskampf schon verloren hat. Ihren ganz eigenen Zauber entfalten die letzten beiden Spieltag im Radio. Wenn sich zur zweiten Halbzeit stolze neun Reporterinnen und Reporter in der ARD-Bundesligaschlusskonferenz zusammenschalten und die Dramatik des Kampfes um die letzten zu vergebenden Punkte der Spielzeit in die Wohnzimmer oder Autos der Republik rufen.

33. Bundesliga-Spieltag ist zerfasert

Stopp. Soweit der Nostalgieblock. Denn das ist Geschichte. Schon in der vergangenen Saison opferte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) die eherne Tradition der (mit ganz wenigen Ausnahmen) parallel stattfindenden Partien an den beiden letzten Spieltage auf dem Altar des Kommerzes. Der 33. Spieltag werde "künftig als Regelspieltag mit gestaffelten Anstoßzeiten ausgetragen", teilte die DFL im März 2020 mit. Seinerzeit wurden die Fernsehübertragungsrechte neu vergeben. Der ohnehin schon zerstückelte Bundesligakalender wurde damit noch weiter filetiert. Denn: Warum nur samstags zwischen 15.30 Uhr und 17.15 Uhr übertragen, wenn auch am Samstagabend, am Freitag und am Sonntag noch Zeit für Spiele ist? Die Gleichung ist einfach: mehr Spieltermine = mehr Sendezeiten = mehr Geld. Schließlich will man bei der DFL ja mit der englischen Premier League mithalten ...

Die Partien des 33. Bundesliga-Spieltags

Sechs unterschiedliche Anstoßzeiten, nur vier Spiele am Samstag um 15.30 Uhr:

Freitag, 20.30 Uhr: SC Freiburg vs. VfL Wolfsburg

Samstag, 15.30 Uhr: TSG Hoffenheim vs. 1.FC Union Berlin

Samstag, 15.30 Uhr: Hertha BSC vs. VfL Bochum

Samstag, 15.30 Uhr: FC Schalke 04 vs. Eintracht Frankfurt

Samstag, 15.30 Uhr: Werder Bremen vs. 1. FC Köln

Samstag, 18.30 Uhr: Bayern München vs. RB Leipzig

Sonntag, 15.30 Uhr; 1. FSV Mainz 05 vs. VfB Stuttgart

Sonntag, 17.30 Uhr: FC Augsburg vs. Borussia Dortmund

Sonntag, 19.30 Uhr: Bayer 04 Leverkusen vs. Borussia Mönchengladbach


Das ist aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar, aus sportlicher Perspektive ist es eine Katastrophe. Während in der Saison 2021/2022 vor dem 33. Spieltag vieles schon entschieden war und die Auswirkungen des aufgesplitteten vorletzten Spieltages überschaubar waren, können aus der Terminierung in diesem Jahr echte Wettbewerbsverzerrungen entstehen, da nicht einmal die Hälfte der Spiele am Samstagnachmittag ausgetragen wird. Nur drei Beispiele möglicher Folgen:

  • Verliert der SC Freiburg am Freitagabend gegen den VfL Wolfsburg, muss sich Union Berlin am Samstag gegen Hoffenheim überhaupt nicht mehr anstrengen – der Champions-League-Platz dürften den Köpenickern nicht mehr zu nehmen sein. Klarer Vorteil für Hoffenheim im Abstiegskampf.
  • Selbst bei einem eigenen Sieg am Samstag gegen Bochum könnte Hertha BSC am Sonntag den eigenen Abstieg am Fernseher erleben, wenn Stuttgart bei Mainz punktet, dass sich unter Umständen auch nicht mehr sonderlich anstrengen muss, weil der Conference-League-Platz ohnehin durch den Ausgang der Samstagsspiele unerreichbar wäre.
  • Gewinnt Bayern München am Samstagabend gegen Leipzig und holt der BVB am Sonntag in Augsburg keine drei Punkte, ist den Bayern die nächste Meisterschaft realistischerweise nicht mehr zu nehmen. Die Champagnerkorken an der Isar knallen dann auf dem Sofa, was an sich nichts besonderes ist, der Spannung in dieser Spielzeit aber nicht gerecht wird. Umgekehrt dürfte eine Niederlage der Bayern gegen Leipzig bei Dortmund am Sonntag noch zusätzliche Kraft freisetzen. Gleichzeitig könnte Augsburg weniger Gegenwehr leisten, weil der Klassenerhalt durch die Vortags-Ergebnisse schon feststehen könnte.

Dortmund ist am 33. Spieltag so oder so erneut in Zugzwang, das kennt die Borussia. "Wir können es nicht verändern, uns hat keiner gefragt. Wenn Sie mich ehrlich fragen, empfinde ich das als einen gewissen Nachteil, wenn man dreimal nachzieht in den nächsten drei Wochen", ärgerte sich jüngst BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl – zu Recht.

Die DFL betreibt aktive Wettbewerbsverzerrung

An den letzten beiden Spieltagen hängt gewöhnlich alles mit allem ein bisschen zusammen, genau das machte stets ihren Reiz aus. Damit ist es vorbei – und den DFL-Verantwortlichen dürfte das (mal wieder) vollkommen egal sein, solange das Geld fließt. Gleich mehrere Vereine wissen am kommenden Wochenende vor dem Anpfiff bereits, wie die direkte Konkurrenz gespielt hat – mit Wettbewerbsgleichheit (oder auch: Fairness) hat das überhaupt nichts zu tun. Für Liga zwei gilt im Übrigen das Gleiche.

Die aktuellen TV-Rechte sind bis zum Ende der Saison 2024/2025 vergeben, am Status quo wird sich bis dahin nichts ändern. Doch danach sollte sich die DFL wieder an einem Satz orientieren, der jahrzehntelange unerschütterlich in der Spielordnung der beiden höchsten deutschen Spielklassen stand: "Die beiden letzten Spieltage der Bundesliga und der 2. Bundesliga sind in jeder Spielklasse gleichzeitig anzusetzen."

Es dürfte bei dem Gewinnstreben der DFL ein frommer Wunsch bleiben, schließlich gibt es ja neben der Premier League noch weitere Vorbilder: In Spanien oder Italien wird sogar der letzte Spieltag zeitversetzt ausgetragen.

Bis dahin sollten Fans wenigstens noch am 34. Spieltag den Zauber in den Stadien oder das große Kino im Radio genießen – und hoffen, dass die DFL irgendwann einsieht, dass sie mit der Zerfledderung der Spieltage dem Fußball massiv schadet.

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