Dieses Video wirkt wie ein Fiebertraum: Da fährt ein Hund Auto, während sich ein nackter Mann auf der Kühlerhaube eine Zigarette anzündet. Ein Yeti besucht eine öffentliche Toilette, wo ein Hase neben einem Glas Rotwein im Waschbecken badet. Kurz darauf taucht ein Delfin aus einer Straßenpfütze auf, eine alte Dame trägt Zigaretten wie Lockenwickler im Haar, während neben ihr ein Pferd auf dem Sofa sitzt, und ein Mann mit Glatze und Zöpfen von unten durchs Parket bricht, statt Füße hat er zwei riesige Zehen. In einem Diner werden Handgranaten wie Pommes frittiert, Raketen schießen hinter Hochhäusern in den Himmel. Am Ende dann: eine Explosion. Lied vorbei, Zuschauer erwacht.
Es ist eine Bilderflut, die schwindelig macht, ein Roadmovie wie ein Formel-1-Rennen. Am Steuer: der US-amerikanische Rapper A$AP Rocky, der durch all diese Szenen führt. In einer Badewanne fährt er an einem Bären vorbei, dann tanzt er rückwärts auf der Straße, bevor er sich plötzlich auf den Asphalt wirft, um nicht von einem Auto getroffen zu werden, das über ihn hinwegfliegt. A$AP Rockys Video zum Song "Tailor Swif" sprengt sämtliche Vorstellungen von Normalität: Alle paar Sekunden passiert etwas Bizarres, Surreales, Irritierendes, manchmal auch Verstörendes. Nach drei Minuten fühlt man sich, als sei das Gehirn Achterbahn gefahren.
A$AP Rocky, Taylor Swift und die Kunst der Verwechslung
Im Dezember 2021 drehte A$AP Rocky das Video zu "Tailor Swif" in Kiew, also kurz bevor Russland die Ukraine angriff. Erst Ende August veröffentlichte der Rapper es. Innerhalb weniger Tage wurde es allein auf YouTube mehr als zehn Millionen Mal geklickt – was auch daran liegen mag, dass der Titel gewissermaßen für die Internetsuche optimiert ist: Er liest sich, als hätte jemand den Namen von Taylor Swift, einer der meistgegoogelten Musikerinnen der Welt, falsch geschrieben, und legt nahe, dass das Lied von ihr inspiriert sein könnte. Immerhin erwähnt A$AP Rocky sie im Refrain: "I'm too swift, don’t tell Taylor ’bout this s–t (Swift, yeah)."
Es mag also viele Fans geben, die das Video zufällig anklicken. Manche Swifties halten den 35-jährigen Rapper deshalb für einen Trittbrettfahrer. Sie werfen ihm vor, dass er bewusst Ruhm und Reichweite von Taylor Swift benutzt, um einen viralen Hit zu landen. Der Unmut mag auch darin begründet sein, dass A$AP Rocky mit Kanye West befreundet ist, auf den Taylor Swift noch immer nicht gut zu sprechen sein dürfte. Der Grund: Als sie beim Gewinn der MTV Video Music Awards 2009 eine Rede halten wollte, stürmte Kanye West auf die Bühne, nahm ihr das Mikrofon aus der Hand und verkündete, dass vielmehr Beyoncé den Preis verdient gehabt hätte.
Drogendealer, Rapper, Familienvater
Auch A$AP Rocky sorgte lange Zeit für negative Schlagzeilen. Seine Kindheit klingt wie dem Drehbuch einer Netflix-Serie entsprungen. Der Rapper, bürgerlich Rakim Athelaston Mayers, wuchs in Harlem auf, der Vater landete wegen Drogengeschäften im Gefängnis, die Mutter in verschiedenen Frauenhäusern. Mayers dealte mit Marihuana und Crack in der Bronx, bis er Mitglied des Harlemer Hip-Hop-Kollektivs A$AP Mob wurde und sich zugunsten seiner Karriere entschied, mit dem Drogenhandel aufzuhören. Später rappte A$AP Rocky auf Songs von Selena Gomez, Lana Del Rey, Alicia Keys – und Rihanna, mit der er seit 2020 liiert ist und zwei Kinder hat.
Immer wieder geriet A$AP Rocky mit dem Gesetz in Konflikt. Während des "Made in America Festival 2013" schlug er eine Frau, die ihn später verklagte. Sechs Jahre später wurde A$AP Rocky in Stockholm verhaftet, weil er und seine Begleiter einen jungen Mann geschlagen und getreten haben sollen. Sogar der damalige US-Präsident Donald Trump schaltete sich ein und schrieb auf Twitter: "Habe gerade mit Kanye West über die Inhaftierung seines Freundes A$AP Rocky gesprochen. Ich werde den sehr talentierten schwedischen Ministerpräsidenten anrufen, um zu sehen, was wir tun können." Anfang des Jahres stand der Rapper erneut vor Gericht, bei einem Streit in Hollywood im November 2021 soll er auf einen Freund geschossen haben. Das Urteil steht noch aus.
Wer regelmäßig vor Gericht landet und Kanye West und Donald Trump zu seinen Freunden zählt, hat es schwer als Sympathieträger. Doch das kann A$AP Rocky gerade ziemlich egal sein. Seine Rechnung scheint aufzugehen, sein Song wird millionenfach geklickt. Und auch Fans von Taylor Swift, die online zufällig auf "Tailor Swif" stoßen, müssen sich nicht ärgern. Dafür ist das Video einfach zu gut.