"Gräfin gesucht - Adel auf Brautschau" Sonne im Herzen, Feuer im Hintern

  • von Sylvie-Sophie Schindler
Von Blaublütern fürs Dating lernen: In Folge zwei von "Gräfin gesucht" zeigen die adligen Singles, wie man es besser nicht macht. Benedikt zittert, als säße er seiner Geiselnehmerin gegenüber, Michael grabscht wie Thomas Gottschalk, Constantin quartiert seine Kandidatin aus und Moritz mutiert zum Geschichts-Dozenten.

Zur Erinnerung: Fernsehen hat einen Bildungsauftrag. Insofern darf man sich von der Sat1-Kuppel-Soap "Gräfin gesucht" nicht einfach nur unterhalten lassen. Gestern gab es Folge zwei zu sehen und mehr zu lernen als bei "Die Sendung mit der Maus". Besonders Männer, die abends ausschließlich ihre Tiefkühlpizza antreffen und Sex nur noch vom Hörensagen kennen, sollten genau hingucken: Die Blaublut-Genossen greifen zu ganz speziellen Tricks, um Frauenherzen für sich zu gewinnen. Wer immer noch glaubt, er könne bei einem Date mit einer läppischen Langstiel-Rose punkten, dem zeigt beispielsweise Gutsherr Benedikt, dass man ganz andere florale Geschütze auffahren muss. Der 48-Jährige lässt sechs Blumensträuße anliefern, um die besonders blonde Gabriela zu beeindrucken.

Benedikt dazu: "Ich habe mir überlegt: Wie kleckere ich nicht, sondern wie klotze ich?" Recht so. Leider sind Gabrielas Lieblingsblumen - Schneeglöckchen - nicht dabei. Was dem armen Benedikt Schweißperlen auf sein Halbglatzen-Haupt treibt. "Ich liege voll daneben", ärgert er sich. Und auch sonst läuft es nicht ganz rund. Als er Gabriela eine Tasse Tee einschenkt, zittert Benedikt so stark, als säße er seiner Geiselnehmerin gegenüber. Zugegeben, eine Sequenz mit wenig Lerneffekt. Man hätte sie besser rausschneiden sollen.

Michael vom Tegernsee zeigt, dass er selbst einen großen Lehrmeister hatte. Er betatscht seine Bewerberinnen ebenso gerne wie Thomas Gottschalk Mariah Carey und Co. Etwas zurückhaltender ist er nur beim Dekolletee. Showmaster Thommy nähert sich dem Brustansatz seiner weiblichen Gäste gerne mit der Ausrede, er wolle ihnen das Ansteck-Mikrofon richten, doch ganz so dreist ist der sonst so draufgängerische Michael nicht. Findet der 42-Jährige Gefallen an den ausladenden Brüsten der Kandidatinnen, dann kommentiert er das so: "Die hat einen schönen Pulli an."

Dass die inneren Werte so arg ins Hintertreffen geraten, mag auch an den Nachwuchs-Gräfinnen liegen. Einige bewerben sich mit dermaßen aufreizenden Fotos, als würden sie für eine Strip-Show gecastet. Dabei sucht Michael nach eigener Aussage eine Frau "mit Sonne im Herzen und Feuer im Arsch". Ob die Dame seiner Wahl auch XXL-Kondition mitbringen muss, um "Hölle-Hölle-Hölle"-Ausflüge zum Ballermann zu überstehen, wird nicht verraten - auch wenn Michael so wirkt, als sei er direkt aus "Malle" eingeflogen. Leider fehlt das wichtigste Accessoire, das sein proletenhaftes Gebärden noch unterstreichen würde: das Goldkettchen. Wer sich von ihm etwas abgucken will, der sei dringend gewarnt: Michael demonstriert, wie man es nicht machen sollte.

Nachhilfe vom One-Night-Stand-Liebhaber

Auch den Kandidatinnen können mal Fehler unterlaufen. Die 31-jährige Mirja beispielsweise tapst gleich mehrmals ins Fettnäpfchen. Zur Begrüßung überreicht sie "ihrem" Constantin eine Tafel Schokolade und kommentiert: "Das ist ein Zickenbesänftiger." Das wirkt so, als würde man auf Teufel komm raus einen Witz erzählen wollen, der überhaupt nicht lustig ist. Ihre Eindrücke über die erste Begegnung mit dem adligen Single fasst Mirja so zusammen: "Auf einmal steht da einer und sagt hallo". Wie gesagt, Originalität ist einfach nicht ihr Ding.

Nächster Fauxpas: Mirja hat ihr Auto mit Klamotten so voll beladen, als wolle sie eine noch leer stehende Boutique damit füllen. Oder will sie etwa sofort in Constantins Villa Hausherrin spielen? Aber nein, Mirja beruhigt den Blaublüter: "Nicht, dass du denkst, ich will gleich bei dir einziehen." Was ohnehin schwierig würde, denn Constantin verfrachtet seinen blonden Gast erstmal ins Hotel. Sein Credo: Wenn's nichts Festes ist, dann wohnt man nicht einfach mit einer Frau zusammen. Alte Tradition, alte Werte - der optimale Benimmkurs für One-Night-Stand-Liebhaber. Über Mirjas Kleiderberge zeigt sich Constantin übrigens ehrlich schockiert: "Too much". Daraus lässt sich für Adelsdamen in spe folgende Lektion ableiten: kleckern, nicht klotzen.

Der Adel hat die Hosen an

Genug gelernt? Von wegen! Graf Moritz aus Schleswig-Holstein hat es drauf wie kein anderer. Er hat sich Ärztin Anke ausgesucht und statt seine Zeit mit üblichen Komplimenten à la "Hast du aber schöne Augen!" zu verplempern, macht er eine Führung durch sein imposantes Anwesen, vorbei an Antiquitäten, Kerzenleuchtern und der Ahnengalerie. Die Worte sprudeln nur so aus seinem Mund, als wäre er Dozent im Studienfach Geschichte. Zu jedem der vielen Ölgemälde hat Moritz eine Anekdote parat. Später ist Moritz ganz begeistert, vielleicht von Anke, aber wohl mehr noch von sich selbst: "Als ich sie herumgeführt habe, da wurde Anke ganz still", verrät er in ihrer Abwesenheit den Zuschauern. Die 29-Jährige wiederum plaudert hinter dem Rücken des Grafen aus: "Ich bin nicht der Mensch, der sich von Äußerlichkeiten beeindrucken lässt."

Abends sitzen die beiden vor dem Kamin. "Ich freue mich, mit Anke vor dem Kamin zu sitzen", verkündet Moritz. Wie bedauerlich, dass man vergessen hat, auch Anke dazu zu befragen, wird doch sonst jede Regung für den Zuschauer so kommentiert, als sei er zu blöd zum Gucken. Anke sagt also nicht: "Ich freue mich, mit Moritz vor dem Kamin zu sitzen", sondern sie fragt nach den Plänen für den nächsten Tag. Es soll auf das Segelschiff gehen. Freude bei Anke: "Ich bin der Kapitän." Das geht Moritz dann doch zu weit und er korrigiert: "Ich bin der Kapitän." Na, bitte, endlich ein Mann, der sagt, wo es langgeht.

Und wer noch mehr dazu lernen will, wer gar nicht genug kriegen kann: Für alle Pferdenarren hält Moritz' Pferdepfleger eine wichtige Lektion über die Huftiere bereit: "Legt es die Ohren in Falten, lass Vorsicht walten." Möglicherweise ist spätestens damit der TV-Bildungsauftrag - beziehungsweise das, was man inzwischen darunter versteht - erfüllt. Doch was den Unterhaltungswert der Sendung betrifft, da lässt sich sagen: "Der Zuschauer legt seine Stirn bereits in Falten, Sat1, lass Vorsicht walten."

"Gräfin gesucht - Adel auf Brautschau" läuft seit dem 3. August immer sonntags um 19.05 Uhr auf Sat1

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