Ein junger Mann - groß, dunkelhaarig, mit blutverschmierten Hemd - erscheint in einem Büroloft. Völlig außer Atem presst er heraus, dass er des Mordes verdächtigt wird und beteuert seine Unschuld. Das aktuelle Aushängeschild der Republikaner - und Ex-US-Soldat - soll seine Freundin getötet haben und sucht Hilfe bei Olivia Pope (Kerry Washington, bekannt aus "Ray" und "Django Unchained").
Olivia Pope hat als PR-Strategin dem ehemaligen Senator Fitzgerald Grant (Tony Goldwyn) zur Präsidentschaft verholfen. Popes Ruf eilt ihr voraus. Sie ist die Beste in ihrem Job - außerdem scheint in Washington jeder zu wissen, dass sie die treibende Kraft im Wahlkampf war. Warum sie im Weißen Haus schließlich kündigte, erfährt man allerdings erst im Verlauf der ersten Staffel. Die Serie spielt in den mächtigsten Kreisen in den USA - sie erinnert stark an "The West Wing", ohne abzukupfern.
Tough und immer auf die eigene Intuition vertrauend
Die Krisenmanagerin Pope betreibt in Washington D.C. ein Büro mit Anwälten und Ermittlern. "Wenn wir unseren Job gut machen, müssen wir nicht vor Gericht gehen", erklärt ein Kollege im Laufe der Folge, "Wir bringen Dinge in Ordnung, managen Krisen. Uns geht es nicht um die Aufklärung eines Verbrechens oder Gerechtigkeit, sondern um unsere Klienten." Popes erster Fall heißt "Gladiatoren im Anzug". Sie tritt tough und abgeklärt auf - und traut immer ihrer Intuition. So auch bei Sully St. James, dem Kriegshelden: Pope hält ihn für unschuldig und nimmt darum den Fall an - auch wenn ihre Kollegen alle dagegen sind. Sie halten den Soldaten für schuldig. Die 36-Jährige Kerry Washington spielt Pope mit viel Ausdruck - in einigen Szenen ist jede Muskelfaser ihres Gesichts angespannt. Gerade zu Beginn ist diese Intensität für den Zuschauer anstrengend.
Doch natürlich muss Pope auch immer noch im Weißen Haus Feuerwehr spielen: Der engste Vertraute des Präsidenten bittet sie, sich um die junge Mitarbeiterin Amanda Tanner (Liza Weil, bekannt als Paris Geller in der TV-Serie "Gilmore Girls") zu kümmern. Diese behaupte, sie hätte eine Affäre mit dem verheirateten Präsidenten. Das sei alles eine Lüge, behauptet Präsident Fitzgerald Grant. Er bittet Pope, sich der Angelegenheit anzunehmen und einen Skandal zu verhindern.
Erfolgsgarantin Shonda Rhimes
Die Serie stammt aus der Feder von Shonda Rhimes - sie steckt hinter dem Serien-Erfolg "Grey's Anatomy" und dem Spin-off "Private Practice". Der Charakter der Olivia Pope basiert auf der realen Person Judy Smith. Smith war unter George W. Bush Senior stellvertretende Pressesprecherin und profilierte sich dort als PR-Strategin profilieren. Nach ihrer Zeit im Weißen Haus gründete sie eine eigene Firma - einer ihrer prominenten Klienten war Bill Clinton, den sie durch die Monica-Lewinsky-Affäre navigierte. Smith steht Rhimes beratend zur Seite und prüft, wie realistisch das Drehbuch ist. Einige Fälle ähneln echten Erfahrungen von Judy Smith oder sind von ihren ehemaligen Klienten inspiriert - doch einige sehr wichtige Handlungsstränge sind dazugedichtet.
Mit nur sieben Folgen ist die erste Staffel unerhört kurz geraten, es ist mehr ein Testlauf, ein Appetizer. Doch viele TV-Sender gehen heute das Risiko großer Produktionen nur ungern ein, auch bei der Serie "Grey's Anatomy" (ebenfalls produziert von Rhimes' Produktionsfirma "Shondaland") gab es zum Auftakt nur neun Folgen - und die geht derzeit in die zehnte Staffel. Hoffentlich bleibt "Scandal" ebenso lange ein Teil der Fernsehlandschaft und liefert weitere Einblicke in die Abgründe des politischen Washington.
Die wirklich sehenswerte Serie mit ihren knackigen Dialogen und den komplexen Handlungssträngen, die menschliche Beziehungen in allen ihren Facetten zeigen, läuft in Deutschland auf Super RTL. Der Sender, den eigentlich eher die eigenen Kinder auf der Fernbedienung finden, hat sich einen potenziellen Serienhit gesichert: In den USA ist vor kurzem die dritte Staffel der Serie angelaufen - unter den Augen von 10,5 Millionen Zuschauern.
"Scandal": Super RTL zeigt die ersten zwei Staffeln in Doppelfolgen immer montags ab 20.15 Uhr.