"Wetten dass...?" Gelber Senf und pralle Weiten

  • von Peer Schader
Neues Studio, neue Saalwette - aber sonst ist alles beim Alten: Mit Standardgästen und Standardwetten plauderte sich Thomas Gottschalk souverän durch die 176. "Wetten dass...?"-Sendung aus Nürnberg. Nur im Gespräch mit Frankreichs First Lady Carla Bruni gab er sich ganz ungewohnt seriös.

Jetzt ist es also doch passiert. Thomas Gottschalk ist seriös geworden. Zumindest gab er sich am Samstagabend alle Mühe, auch mal so zu wirken. Aber nur für fünf kurze Minuten. In dieser Zeit saß Carla Bruni neben ihm, die als Sängerin empfangen und nach kurzem Gespräch als Frankreichs First Lady zum Flieger verabschiedet wurde. Das war ein bisschen unheimlich, weil Gottschalk sich ganz untypisch mit dem Gefummel zurückhielt und sogar Fragen formulierte, die ganz interessant hätten sein können. Und Bruni? Die war mit ihrer schwarzen Bluse sehr zurückhaltend gekleidet, wie es eben von der Frau des französischen Präsidenten erwartet wird, lächelte höflich und erzählte, dass sie jetzt nicht mehr so frech sein darf. Dass das eigentlich bedeutet, dass sie möglichst langweilig sein muss, hat sie nicht dazu gesagt. Aber genau so ist es dann gekommen: "Ich liebe Menschen", sagte Bruni, na klar. Und: "Ich liebe Sprachen." Wie schön. Und, schließlich: "Ich bewundere Politiker." Ja, Mensch, vielen Dank für das Gespräch und guten Heimflug. Gottschalk war trotzdem glücklich, die Antworten seiner Gäste interessieren ihn ja auch sonst nicht so sehr, und als Bruni ihm zum Abschied ein Küsschen auf die Wange drückte, war die 176. Sendung "Wetten dass…?" für ihn eigentlich schon gerettet.

Gästeempfang aus dem Lüftungsschacht

Es hat vorher ein bisschen Wirbel gegeben, weil das ZDF angekündigt hatte, dass es ein neues Bühnenbild geben solle, entworfen von Florian Wieder, der bereits "Deutschland sucht den Superstar" (und ungefähr alle anderen Sendungen im deutschen Fernsehen) designt hat. Aber es sollte ja nicht alles anders werden, nur ein bisschen moderner. Und das bedeutet: holzvertäfelte Wände, ein spiegelglatter schwarzer Studioboden, ein sanft geschwungenes cremefarbenes Sofa mit Teppichvorleger und eine riesige Leinwand als Hintergrund für die Wettaufführungen. Die abgerundeten Kulissenflügel mit dem metallischen Glanz sehen in der Totalen jetzt halt ein bisschen aus wie eine aufgeplatzte Heringskonserve.

Richtig ungewöhnlich ist bloß der neue Gang, aus dem die Gäste von der Kamera begleitet ins Studio kommen, weil er so nach Raumschiff Enterprise aussieht und am Ende sehr nach Lüftungsschacht. Aber wenn das modern ist - bitte schön! Sonst hat sich kaum was verändert nach über sechs Monaten Sommerpause. Gottschalks seriöse Phase währte bloß wenige Minuten, davor und danach musste sich Fußballer-Frau und Moderatorin Sylvie van der Vaart im knappen Gold-Glitzerkleid die üblichen Anzüglichkeiten anhören. Und weil eigentlich der bayerische Ministerpräsident in der ersten Reihe sitzen sollte, der Platz aber eine Woche nach dem Wahldebakel der CSU fremdbesetzt werden musste, reimte Gottschalk gleich zu Beginn: "Eins, zwei, drei, vier, Eckstein - der Beckstein muss versteckt sein." Horst Seehofer wollte jedenfalls noch nicht einspringen. Im Publikum war nachher nur Markus Söder zu sehen. Wenn das mal kein schlechtes Omen war.

Salma Hayek muss ins Dirnd

l Wettkönig wurde Jens Christoph Pieper aus Eppstein im Taunus, der das Kunststück fertig brachte, nach zwanzigsekündigen Filmen von deutschen Autobahnen zu erkennen, um welche Schnellstraße es sich dabei handelte. Und falls Sie sich jetzt fragen, woran der Mann das erkannt hat: an verklinkerten Brücken, Leitplankentyp A und Kurvenführung natürlich! Dass zum Schluss ausgerechnet die Strecke, die er täglich zur Arbeit fährt, erraten werden musste, war ein bisschen unglücklich. Aber die Zuschauer entschieden sich trotzdem für den Hessen als Sieger. Tatsächlich waren die anderen Wetten eher lahm: Ein Österreicher schoss mit dem Luftgewehr Kronkorken von Bierflaschen, ein Zwölfjähriger kletterte auf gestapelte Bierkästen, ein Hund bewies sich als Knotenlöser - und der BMX-Fahrer, der über ein acht Meter hohes Haus springen wollte, hatte sich schon bei der Probe ein Bein gesprochen. Ein Kumpel, der als Vertretung einsprang, scheiterte. Besonders spektakulär war das alles nicht.

Genauso wie die übrigen Gäste: Neben dem dauerplapperenden Karl Lagerfeld saß mal wieder Michael Bully Herbig auf der Couch (neuer Kinofilm!), diesmal mit Franz Xaver Kroetz im Schlepptau. Der 21-jährige Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel wurde nicht mal als Wettpate gebraucht. Zwei Pater warben nicht nur für ihre gregorianischen Gesänge, mit denen sie gerade in den Charts sind, sondern bei der Jugend auch für den Eintritt ins Kloster. Und die etwas irritiert wirkende Salma Hayek ließ sich von Gottschalk als Wetteinsatz in ein Dirndl stopfen. Gut, da kann man nix machen.

Gottschalk im Senffass versenkt

Eine zweite Neuerung gab es dann doch noch: Die öde Stadtwette ist endlich abgeschafft! Es hat aber auch langsam gereicht mit Leuten, die sich auf Rathausplätzen versammeln und lustig verkleidet sind. Ab jetzt sammeln die Leute sich für die "Saalwette" bloß im Studio. Das gab es früher schon mal so ähnlich, nur dass damals noch das Publikum aus drei Wetten aussuchen könnte. Das erledigt Gottschalk nun selbst und wettete am Samstag, dass es keine zehn Nürnberger gebe, die mit Würstchen stricken könnten. Gab es aber doch. Zur Strafe ließ Gottschalk sich am Ende der Show in einem riesigen Senffass versenken und sah, wieder herausgezogen, mit seinem blass-blonden Locken, die unter der Haube heraus strubbelten, ein bisschen aus wie ein frisch geschlüpftes Küken.

Auch dieser Gag hat es dann aber nicht richtig rausgerissen: Mit der Show ist es wie mit ihrer Kulisse. Verändert wird nur sehr behutsam, und das ist vielleicht gut so, weil sich so viele Menschen daran gewöhnt haben. Aber Überraschungen braucht hier niemand mehr zu erwarten.

PRODUKTE & TIPPS