Atze Schröder, der Januar beginnt wie immer mit neuen Folgen von "Alles Atze".
Wir haben den ganzen Sommer gedreht. 13 neue Folgen, sechste Staffel, und ich habe jetzt beschlossen, dass es die letzte ist. Vielleicht kann ich einer der Wenigen sein, die dann aufhören, wenn es noch gut läuft.
Ach, wir hatten gedacht, wir müssten Sie als Atze Schröder ins Grab legen...
...das auf jeden Fall. Aber Atze als Sonderermittler in Hamburg würde ja auch gehen. Es kann sein, dass ich als Atze in Kuala Lumpur einen Kiosk eröffne, als Almwirt in Österreich lande, mit dem Fahrrad zum Nordkap radle, eine Lachszucht in Schottland betreibe oder vielleicht werde ich auch der neue Pfarrer Braun. Auf zu anderen Ufern.
Atze auf der Bühne
Kürzlich ist Atze Schröders erste DVD erschienen, "Die Live-Kronjuwelen". Für diese DVD hat er exklusiv vor insgesamt 3.000 Zuschauern die Glanzlichter seiner letzten Live-Programme präsentiert. Die DVD wurde mittlerweile mit Gold ausgezeichnet. Tourtermine für 2007 gibt es unter www.atzeschroeder.de
Wie kam dieser Entschluss, dieses populäre Format aufzugeben?
Einfach aus dem Wunsch heraus, etwas Neues zu machen. Es war ja nicht unbedingt Mainstream, was wir da vor sieben Jahren begonnen haben. Insofern hat RTL Mut bewiesen, das mit einer unbekannten Locke zu machen. Ich denke, wir werden zusammen neue Wege beschreiten.
Und wohin?
Das weiß ich auch noch nicht so genau. Es gibt ein Kinoprojekt, auch in Zusammenarbeit mit RTL.
Dann haben Sie ja sicherlich noch mal alles gegeben für die letzte Staffel.
Es sind einige Geschichten dabei, die wir immer schon machen wollten. Am Ende sieht es tatsächlich so aus, als würde Murat seinen eigenen Kiosk eröffnen. Wir sind so feministisch wie noch nie. Es geht um das Thema Selbstbefriedigung. Unsere Frauen sagen, wenn ihr schon Hand anlegt, können wir das genauso gut. Da ist Atze in seiner Männlichkeit verunsichert. Das Thema 'wird Atze seriös?' packen wir damit an, dass eine neue Küche gekauft wird. Und wie wir alle wissen, ist das der Wendepunkt in einer Beziehung. Der Mann weigert sich erst, aber wenn die Küche dann gekauft wird, will er Carbongriffe und das Super-Ceranfeld haben, insofern stehen wir mitten im Leben. Dann gehen wir noch mal zurück in Atzes Vergangenheit - ein Geheimnis, das nie gelüftet wurde: Wie war Atze in der Schule? Er trifft seinen alten Klassenlehrer, und da kommen alle Ängste noch mal hoch.
Und wie war er in der Schule?
So mittelprächtig. In der Serie zumindest. Im wahren Leben war ich in der Schule sehr gut.
Sie widmen sich diesmal auch Tabuthemen.
Immer schon. Wir gehen in eine Behindertenwerkstatt, und beim Umgang mit Behinderten gibt es die Erkenntnis: Behinderte und Nicht-Behinderte schenken sich oft nichts. Da gibt es dann keinen Unterschied im Verhalten.
Haben Sie eine Lieblingsfolge?
Der Kurschatten. Darin suche ich für meine Schwiegermutter einen neuen Mann. Es stellt sich heraus, dass der Typ schwul ist und es auf Atze abgesehen hat (lacht ziemlich dreckig). Als Gastrolle haben wir Dietrich Hollinderbäumer, einen gestandenen deutschen Schauspieler. Wir hatten so viel Spaß, kniffen spontan die Augen zu, das war von der Regie gar nicht so geplant. Da konnten wir selbst den dritten Beleuchter von hinten noch hören, wie er sich krampfhaft den Mund zuhält. Das ist Sitcom im besten Sinne, der Witz kommt aus der Situation.
Obwohl "Alles Atze" in Essen spielt, lebt eine der Autorinnen in New York. Interessant, wenn man überlegt, dass diese Serie doch der Inbegriff von Ruhrpott-Trash ist.
Die amerikanischen Autoren sagen, dass es solche Szenen überall gibt. Ein kleiner Laden, in dem alles verkauft wird. Man denke jetzt nur an so Kultfilme wie "Smoke" oder "Blue in the Face", und ich glaube, auch in Deutschland wäre so ein Kiosk in Hamburg ganz genauso möglich wie in München oder in Berlin. Die Vorstadt ist überall ziemlich ähnlich.
Sieben Jahre "Alles Atze" - was bleibt?
Da bin ich wirklich stolz drauf. Wir haben die Sitcom akribisch auf Film gedreht, das heißt, man schafft maximal vier bis fünf Minuten am Tag in zwölf, 13, 14 Stunden. Das war doch eine ziemliche Maloche den Sommer über. Aber ich hatte immer im Hinterkopf, dass wir etwas schaffen, das man sich auch noch in hundert Jahren angucken kann. Es wird auch noch dann irgendwo laufen, wenn ich alt und grau bin. Mein zweites Steckenpferd, in das ich eben so viel Herzblut stecke, ist meine Tournee. Und es hat geklappt: ein Mann, ein Mikro vor über zehntausend Leuten in der Köpi-Arena von Oberhausen. Das haben wir mitgeschnitten. Und Und wenn ich in 20 Jahren nur noch in kleinen Clubs unterwegs bin - ich habe so einen Spaß daran, auf der Bühne zu stehen und das ist wirklich mein Antrieb.
Schaffen Sie das überhaupt noch, den Leuten aufs Maul zu schauen?
Als ich kürzlich in Regensburg war, habe ich gemerkt, welche Begeisterung für Ratzinger da ist. Ich habe einfach mal die zehn Gebote ausgedruckt und schon hatte ich wieder eine Viertelstunde auf der Bühne, bei der sich alle totlachen. Nur beim sechsten Gebot, du sollst nicht Ehebrechen, da war verdammt Ruhe in Regensburg. Das habe ich einfach eine Minute genossen.
Und sind Sie auf eine Antwort gekommen, warum sie Comedian werden wollten?
Ich habe jeden Tag eine andere Antwort darauf. Jedes Jahr moderiere ich den deutschen Comedy-Preis, seit sechs Jahren schon. Hinterher werde ich immer wieder von der Presse gefragt, warum ich das wieder mache, und ich sage immer, weil ich Angst habe, dass es sonst jemand anders macht.
Nachdem Gerhard Schröder abgetreten ist und Angie da ist, tritt auch Atze aus dem Kiosk heraus. Hat das einen inhaltlichen Zusammenhang und könnte jetzt nicht Atze auch ein wenig politisches Kabarett machen?
Politik spielt immer wieder eine Rolle in meinen Programmen. Nicht umsonst bezeichne ich mich selbst als Kanzler der Herzen. Der andere hat das Handtuch geworfen. Ich bin dem deutschen Volk treuer. Deutschland ist schöner geworden nach der WM. Man hat den Eindruck, Deutschland riecht sogar besser. Wenn man allein die Trainerbank sieht - was saßen da früher für Typen mit Berti Vogts und Helmut Schön. Jetzt gibt es Yogi Löw, Kloppo und Bierhoff, da weht ein Duft von Nivea durchs Wohnzimmer. Es gibt Frauen, die haben sich vor dem Zypern Spiel noch mal die Haare machen lassen. Allein das halte ich schon für politisch.
Und wenn die deutsche Elf verliert, jammern wir wieder.
Ich werde mich des Themas annehmen. Ich habe ein Buch in Planung, da wird die deutsche Befindlichkeit noch mal richtig aufgespürt. Ich bin so viel unterwegs, dass ich sowieso an jeder Gießkanne die Leute nach ihrer Meinung frage, also kann ich das ganze auch aufschreiben und fotografieren.
Die Erforschung der deutschen Seele also.
Ganz genau. Die deutsche Seele von Flensburg bis Sonthofen und Bitterfeld. In Texten kann man viele Sachen, die auf der Bühne der Kompression zum Opfer fallen, ausführlicher beschreiben. So Sätze wie 'feuchtwarme Wurstfinger erforschen lange nicht mehr beackertes Brachland' sehen doch bestimmt gedruckt gut aus.
Was will Atze noch schaffen?
Privat ist die Liste so lange, da müsste ich fast eine neue anlegen. Ich wollte mit meiner Freundin endlich die Welt erkunden. Aber wir haben gestern beschlossen, dass es so ist, wie es ist, und es eben nicht klappen wird. Ich war die ganze Woche auf Tour und komme nach Hause. Sie steht da gestiefelt und gespornt und sagt, sie hat einen Termin mit einer Freundin. Da konnten wir beide herzhaft lachen. Wir sind seit zwanzig Jahren zusammen, und das zeigt unser Selbstverständnis. Wir haben keine Zeit, uns auf den Keks zu gehen.
Interview: Kathrin Buchner
Die 13 Folgen der sechsten und letzten Staffel von "Alles Atze" läuft ab Freitag, dem 12. Januar 2007 um 21.15 Uhr auf RTL.