Die von Dohnanyis, das darf man so sagen, sind ein diffizile Sippe. Es ist nicht Klaus, ehemals Erster Bürgermeister von Hamburg, der Probleme schafft. Er begnügt sich mit Do'nahni, schlank im Klang und mittig betont – wie Hans, sein Vater, der den Namen einst eindeutschte. Sein Bruder Christoph dagegen, der Dirigent, präferiert die ungarische Variante, gemahnend an die Familienwurzeln: Betonung vorn, als Rausschmeißer einen Schnörkel, 'Dochnahnji! Dessen Sohn Justus, Schauspieler, tut es ihm gleich.
So viel aus der Abteilung "Was man sich wirklich nicht merken muss". Nicht einmal als "Tagesschau"-Sprecher, der Technik sei Dank. Ein Mausklick, und die Lösung purzelt hörbar aus dem Computer. Seit zehn Jahren nun verrät die Aussprachedatenbank der ARD den Radio- und Fernsehmoderatoren auf Online-Anfrage, dass Karl 'Fallänntihn heißt, Barbara aber 'Wallänntihn. Oder dass Kofi höchstselbst 'Annann sagt, nicht etwa 'Ännänn wie Canon.
Was korrekt ist, entscheiden hauseigene Muttersprachler, telefonisch konsultierte Sprachwissenschaftler, hilfsbereite Menschen in Konsulaten oder ein Blick ins Lexikon. Oberstes Gebot ist der Wille des Namensträgers, entsprechend genießen akustische Schnipsel mit Selbstauskunft höchste Priorität. "Hallo, hier ist Roger Cicero, und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende mit hr 3." Eindeutig: Nicht mit g, so spricht sich Herr Willemsen, auch nicht versnobbt britisch wie Sir 'Roddsche Moore, sondern Ro'scheh, mit frankophiler Elegance, gesummtem sch, Betonung hinten.
170.000 MP3-Dateien
Vorbei die Zeiten, da noch jede Abteilung der ARD ihre Kästen pflegte mit abgegriffenen Karteikärtchen. Und wenn einer vergaß, die Karte nach Benutzung wieder reinzustecken, hatten die Nachkommenden das Nachsehen. Längst wird zentralverwaltet, in Frankfurt, beim Hessischen Rundfunk (hr). 170.000 MP3-Dateien sind gespeichert. Dreimal täglich sagt ein Nachrichtensprecher des hr ungewöhnliche Namen ins Mikrofon, von afrikanischen Politikern, afghanischen Gebirgszügen oder raren Insekten, jährlich wächst der Bestand um 13- bis 15.000 Wörter.
Jede der neun ARD-Anstalten hat Zugriff, und so uneins und einander missgünstig diese sonst sind, so vereint füttern sie die Datenbank. "Hier ziehen alle an einem Strang", sagt Wolfgang Sieber, Hörfunksendeleiter beim hr und einer der Datenbank-Väter. Von der Zusammenarbeit mit Brockhaus und Duden erzählt er. Vom Schweizer Fernsehen, dem Bozener Studio der italienischen Rai und dem ORF, inzwischen alle Nutzer der Datenbank. Und von landestypischen Absonderlichkeiten wie dem Tier mit dem langen Hals, das der Österreicher Schi'raffe nennt.
Eine englische Soße namens 'Wusste
Roland Heinemann sucht derweil auf seinem Notebook nach unterhaltsamen Beispielen. Er ist der Chef der Aussprachedatenbank, sieht aus wie Klaus Bednarz mit runder Brille und redet sanft, als müssten seine Stimmbänder geschont werden. Das Eis mit den Schokostreuseln? Strattscha'tälle. Die englische Soße, geschrieben Worcester? 'Wusste. Bitte nicht 'Lühbienn, sondern 'Lihbüenn oder allenfalls 'Lihbienn. Und Walt 'Dissni und 'Brittni Spears, wobei 'Dissnäi und 'Brittnäi schier hoffnungslos in den deutschen Hirnen eingebrannt scheinen, "wir überlegen, ob wir uns dem allgemeinen Gebrauch angleichen werden", sagt Heinemann. "Die Devise heißt: So original wie möglich, so deutsch wie nötig."
Und Jever, herbes Bier und friesische Stadt gleichermaßen? Im Hoheitsgebiet von NDR und Radio Bremen bitte "Jehfa, aber das machen sie dort ja von klein auf richtig. Der Rest der Republik, dort weiß man es nicht besser, darf getrost falsch 'Jehwa sagen. "Wissen Sie", fragt Heinemann, "wie man den berühmtesten Zoologen der Fernsehgeschichte ausspricht?" Aus dem Notebook quäkt der possierliche Profesor Grzimek im O-Ton aus den Siebzigern, wie er einer Reporterin penibel seinen Namen vorbetet: "'Gschimäkk! G-'schimäkk! Ja, jetzt haben Sie's."
'Behneddikkt 'Rattsinga
Auf Ereignisse hin wird die Datenbank aufgerüstet. Vor der Fußball-WM mit Spielern. Mit Künstlern zur Documenta. Wenn der Papst im Sterben liegt, mit Kardinälen – zum letzten Konklave waren es 290, sagt Heinemann, man will den neuen Pontifex ja richtig benennen. Und dann war’s doch so einfach, 'Rattsinga. Obacht aber bei seinem Künstlernamen: Nicht 'Benne- sondern 'Behneddikkt, langes e!
Zum Abschied macht Roland Heinemann sich noch einen Spaß und fragt: "Wie heißt der See in Massachusetts, dessen Name in der Sprache des Nipmuckvolks bedeutet: Du fischst auf deinem Ufer, ich fische auf meinem Ufer, und niemand fischt in der Mitte?" Der Name liest sich wie einmal wüst auf die Tastatur gehauen: Chargoggagogg- manchauggauggagagoggchaubunagunggamaugg. Sprechen tut man ihn, und dabei grinst der ruhige Herr Heinemann übers ganze Gesicht: Sche'goggeggogg-männ'tschoggeggog-schebböhn-e'göhngemöhg.