Seit vier Jahren stellt Donald Trump den Journalismus vor eine große Herausforderung: Wie umgehen mit einem Präsidenten, der für seine notorischen Lügen bekannt ist?
Bislang sind die meisten Publikationen mit zwei klassischen journalistischen Tugenden gut gefahren: sachlich berichten und anschließend einordnen. Das mag unbefriedigend sein, weil man dadurch zunächst etwaige Lügen und Unwahrheiten weiter verbreitet. Doch jeder Zuschauer und Leser hat einen Anspruch darauf, sich zunächst einmal eine eigene Meinung von den Worten des Präsidenten zu bilden.
Mittlerweile scheinen viele Journalisten genau das den Bürgern nicht mehr zuzutrauen. Sie meinen eingreifen zu müssen und für den Zuschauer zu entscheiden, was er hören soll oder nicht.
Donald Trump wird abgewürgt
Anders ist das Verhalten einiger TV-Sender am Donnerstag nicht zu erklären. Donald Trump gab im Weißen Haus eine Pressekonferenz zur Wahl, und behauptete erneut, er habe die Wahl gewonnen, würde man nur die "legalen Stimmen" auszählen. Gleichzeitig sprach er von vielen "illegalen Stimmen" und dem Versuch, ihm die Wahl zu "stehlen".
An dieser Stelle brachen US-Sender wie ABC, NBC, CBS und MSNBC die Übertragung ab und nahmen den Zuschauern damit die Möglichkeit, die Rede des immerhin amtierenden Präsidenten zu verfolgen.
Die Begründung scheint zunächst nachvollziehbar: Man müsse den Präsidenten der Vereinigten Staaten "korrigieren", erklärte es MSNBC-Moderator Brian Williams, man wisse von keinen illegalen Stimmen.
Ähnlich argumentierte Lester Holt von NBC: Der Präsident habe "eine Reihe falscher Aussagen gemacht, einschließlich der Behauptung, dass es Wahlbetrug gegeben hat." Dafür gebe es aber keine Beweise.
Journalisten schwingen sich zu Richtern auf
Keine Frage: Das Motiv für das Eingreifen mag ehrenvoll sein. Doch in Wirklichkeit ist es bevormundend: Hier schwingen sich Journalisten zu Richtern auf, die entscheiden wollen, was den Ohren ihrer Zuschauer zuzumuten ist und was nicht. Eine Anmaßung sondergleichen. Zumal hier nicht irgendwer spricht, sondern immerhin der (noch) amtierende und demokratisch gewählte Präsident.
Die Sender berauben sich und die Öffentlichkeit vor allem der Chance zu erfahren, ob Trump nicht vielleicht doch Beweise für einen angeblichen Wahlbetrug vorlegen kann.

Die hat der Präsident - natürlich - nicht geliefert. Um das zu erfahren, musste man aber einen Kanal wie Fox News einschalten, der die komplette Rede gezeigt hat. Ob das im Interesse der um Wahrheit und Faktentreue bemühten Sender sein kann?
Ungeachtet all der Lügen des Präsidenten: Die Mehrheit der US-Bürger hat sich bei der Wahl gegen ihn ausgesprochen. Ganz ohne, dass man Trump in den zurückliegenden Jahren hätte abschalten oder unterbrechen müssen.
Denn Menschen sind dazu in der Lage, selbst zu denken. Die Sender sollten sie nicht wie Unmündige behandeln.