Jürgen Emig, heute 63, hatte es im deutschen Sport-Fernsehen zu Ruhm und Ehre gebracht. Er leitete die Sportredaktion des Hessischen Rundfunks (HR). Neben Provinz-Sport zog er große Radsport-Sendungen auf, stand dort auch als Moderator der Übertragungen vor der Kamera. Und dann, vier Jahre ist es jetzt her, kurz vor dem Karriere-Ende der Totalabsturz: Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Betrugs und Untreue, der Sender setzte seinen einstigen Top-Mitarbeiter vor die Tür.
Jetzt ist Emig zu zwei Jahren und acht Monaten Haft wegen Untreue und Betrug verurteilt worden. Nach Ansicht des in Korruptionsdelikten äußerst erfahrenen Frankfurter Landgerichts hatte Emig seinen Sender - und damit alle Gebührenzahler - um mindestens 285.000 Euro geschädigt.
In die eigene Tasche gewirtschaftet
Emig hatte über Jahre in die eigene Tasche gewirtschaftet – mittelbar über ein Firmen-Konstrukt, das ein Kumpel gründete und die Gewinne zu großen Teilen an Emigs Frau ausschüttete. Diese Agentur, die SMP, vermittelte der bis 2004 von Emig geleiteten Sportredaktion des gebührenfinanzierten hessischen ARD-Senders unter anderem so genannte Produktionsbeihilfen. Dabei bezahlten etwa Gemeinden dafür, dass sie beim Radrennen "Rund um den Henninger-Turm" in Szene gesetzt wurden, aber auch Banken, Gewinnspielveranstalter und anderen Unternehmen.
So etwas ist im TV-Geschäft freilich nicht ganz unüblich. Bei der Tour de France etwa überbieten sich die Gemeinden jedes Jahr mit Unsummen, damit das Rennen ja nur durch ihre Ortschaft düst – und das den Tourismus ankurbelt. Nur hat Emigs SMP dem hessischen Sender eben nicht alle Beiträge weitergeleitet – und ihn darüber im Unklaren gelassen.
Geld in Liechtenstein geparkt
Außerdem hatte der HR ihm zuletzt gar verboten, mit seiner Frau Geschäfte zu machen, was Emig nicht juckte. Dass er sich letztlich sogar über diese Intendanten-Anweisung hinwegsetzte, spricht für seine kriminelle Energie. Nur noch wie eine kleine Zugabe wirkte es da, als im Prozess herauskam, dass Emig zwischen 2000 und 2003 auch noch fleißig Geld in Liechtenstein parkte. Und das bei der besonderen Verantwortung, die ein Funktionär in einem System trägt, das alle Bürger speisen.
Für die war der Prozess aber vor allem interessant, weil darin der Hessische Rundfunk exemplarisch für die gebührenfinanzierten Sender bis ins Detail ausgeleuchtet wurde. ARD und ZDF sind nämlich, obwohl von der Allgemeinheit bezahlt, für Außenstehende kleine Black-Boxen: Was in den Anstalten passiert, erfährt die Öffentlichkeit meist nur bedingt. Viele Abläufe, viele "Deals", bleiben im Verborgenen.
Die interne Kontrolle hat versagt
Manches davon hat zweifelsohne seinen Sinn. Denn natürlich fallen gerade Vertragsabschlüsse unter die Geschäftsgeheimnisse – weniger der Sender, aber um so mehr ihrer privaten Partner, die sich gegen Konkurrenten behaupten müssen. Doch der durchexerzierte Fall Emig zeigt eben auch: Die interne Kontrolle versagt schon mal. Die Gebührenzahler aber haben keine Chance, selbst fündig zu werden.
Der Sender gab sich wohl vor allem deshalb vor Gericht auch äußerst nervös: Im Zuschauerraum saßen bisweilen mehr HR-Offizielle als Berichterstatter – und stenografierten die Verhandlung mit. Manch einer rannte nach jeder kritischen Äußerung ins Nebenzimmer, zückte sein Handy und rapportierte aufgeregt in die Zentrale, die um ihr Ansehen fürchtete. Das steht in solchen Fällen immer auf der Kippe – zumal ein Prozess für die Medien ein gefundenes Fressen ist und der Sender, der eigentlich nur Zeuge ist, dabei natürlich auch nicht immer mit Samthandschuhen angefasst wird.
Der Sender stand im Mittelpunkt
< Als der amtierende Intendant Helmut Reitze aussagte, stimmte er sich in den Pausen nicht nur mit seinem Justiziar, sondern dem Pressesprecher ab. Diese Szene aus der Gerichts-Kantine ist für den gesamten Prozess bezeichnend: Der Sender stand im Mittelpunkt des Prozesses, obwohl es offiziell um Emig ging.
Das Verfahren aber offenbarte auch, wie ungeschickt und unkooperativ sich der Sender während der Ermittlungen bisweilen anstellte. Der Richter las Reitze etwa einen internen Schriftwechsel zwischen den HR-Führungskräften vor - und alle hörten mit. Darin äußerte einer seine Bedenken, der Staatsanwaltschaft alle Unterlagen auszuhändigen. Der Sender sagt zwar, er habe ja mit den Unterlagen noch weiter arbeiten müssen. Aber die Frage des Staatsanwalts, ob es im HR denn keine Kopierer gebe, sprach Bände.
Und überhaupt: Der Sender erst war es doch, der - wenn auch nicht mit Vorsatz - ein Umfeld schaffte, in dem Emig seiner kriminellen Energie freien Lauf lassen konnte. Dass nämlich alle als Zeugen geladenen Mitarbeiter angaben, trotz sich häufender Gerüchte nie auf die Idee gekommen zu sein, den Sportchef einfach zu fragen, was dran sei, ist schlicht entlarvend. Im HR hielten sich offenbar viele mindestens ein Auge zu. Und so musste selbst der amtierende Intendant im Zeugenstand einräumen: Das System Emig hätte auch schneller auffliegen können.
Vor allem aber: Das System Emig war längst nicht der einzige Fall. In Leipzig ist mit der baldigen Eröffnung der Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) zu rechnen. Wilfried Mohren soll mit der Tarnfirma SMP zusammengearbeitet und - wie Emig - privat Geld abgezweigt haben. Und wer weiß schon, was sonst noch so alles hinter den Kulissen passiert.