Seine letzte Show war genau so, wie sein Publikum sich über zwei Jahrzehnte daran gewöhnt hatte: Ein bisschen Couchgeplänkel mit den üblichen Stargästen (Iris Berben war zum zehnten Mal, Til Schweiger zum neunten Mal dabei). Ein paar mehr oder weniger spannende Wetten (ein Kandidat erkannte WC-Spülungen am Hören). Und ganz viel Thomas Gottschalk (in einem seiner üblichen albernen Outfits). Alles wie gehabt also. So verwundert es nicht, dass auch die Kritiker der Tageszeitungen, die sich seit Jahren mal am Moderator, mal am Showkonzept oder auch gerne an den Gästen oder den Wetten stören, auch mit der letzten "Wetten, dass ?"-Show mit Thomas Gottschalk hart ins Gericht gehen. Trotzdem gab es auch Anerkennung für den scheidenden Moderator.
"Es wäre - bei aller im Vorhinein beschworenen Abschiedsnostalgie - übertrieben zu behaupten, die Show aus Friedrichshafen sei außergewöhnlich gut oder überhaupt außergewöhnlich gewesen", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Die Show habe mit "routiniertem und manchmal zielsicher ins Leere laufendem Couchgeplauder" vor allem die "Bandbreite des schönen Wahnsinns dieser perfekt inszenierten Familienunterhaltung" gezeigt.
Die
"Tageszeitung"
hält die Show sogar für "so ausgelutscht, dass alle Promis schon mehrfach da waren und jeder Smalltalk kleingeredet ist", und mokiert sich über "langweilige" und "gaga" Wetten: "Brennende Teelichter mit der Zunge ausschlecken ist schließlich eher was fürs Weihnachtsspecial des Dschungelcamps als für gediegene ZDF-Abendunterhaltung." Das "letzte "Wetten, dass ..?" sei eine einzige "Devotionalie an den Thommy" gewesen. Und für den gibt es dann immerhin anerkennende Worte: "Gottschalk wirkt immer, als sei er zufällig auf seinem eigenen Kindergeburtstag gelandet - und darüber entsprechend begeistert. Das alte Zirkuspferd, es trabt los, sobald die Musik einsetzt. Wenn dann sogar Basketball-Legende Dirk Nowitzki 'mein Lieblings-Showmaster' sagt, ist die Welt schwer in Ordnung."
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" würdigt die hohe Einschaltquote (14,8 Millionen sahen zu): "Für solche Einschaltquoten ist sonst nur die Fußball-Nationalmannschaft gut." Damit sei es dann aber auch gut. Vor allem der über Monate dauernde Abschied wird scharf kritisiert: "Ob es in irgendeinem Land auf dieser Erde vorstellbar wäre, dass ein derartiger Abschiedszirkus von einem Sender über Monate gedehnt und künstlich mit Spannung aufgeladen und das Publikum regelrecht an der Nase herumgeführt wird und das dann auch noch Millionen Menschen in Bann schlägt? Man könnte diese Non-plusultra-Nostalgie auch als bedenkliches Zeichen für den Zustand einer alternden Gesellschaft halten", schreibt das Blatt.
Etwas weniger "staatstragend" hätte sich der Kritiker der
"Frankfurter Rundschau"
Gottschalks Abschied gewünscht. Er erkennt aber an, dass "dieses 'Wetten, dass ..?' mit Thomas Gottschalk eine Institution" gewesen sei: "Auf eines war in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten immer Verlass. Egal, wie sehr draußen die Welt zusammenstürzte oder pleite- ging: Im Fernsehen kam Thomas Gottschalk sechs- bis siebenmal im Jahr in einem lustigen Anzug aus der Showkulisse und sorgte dafür, dass am anderen Morgen mal niemand über Krisen redete, sondern darüber, wie durchsichtig das Kleid eines Stargasts war, wann Gottschalk wem ans Knie gefasst hat und was sich alles für Kunststücke mit Baggern anstellen lassen. ... Vielleicht wird es künftig, egal, wer den Laden jetzt übernimmt, nur noch eine Fernsehshow sein."
Als das Ende einer Ära würdigt die
"Welt"
Gottschalks Abschied von "Wetten, dass ..?": "Millionen wurden groß mit dieser Show und mit diesem Moderator. Und erwachsen. Oder alt. Die letzten 24 Jahre waren nicht nur unterteilt in Jahreszeiten, Monate und Wochen, sondern auch in Gottschalk-Auftritte im ZDF." Gelobt wird auch Gottschalks Familientauglichkeit: "Bis zum Schluss musste man keine Angst haben, dass Gottschalk grob wird wie Raab oder ordinär wie Bohlen."
Ähnlich sieht dies auch der Kritiker des
"Tagesspiegel"
: "Thomas Gottschalk ist ein allseits beliebter Showkönig, er hat, zerlegt man den Gesamtwert in seine Einzelteile, nicht nur ein großes, sondern ein All-inclusive-Publikum erreicht, die 'Generation Gottschalk'. Die letzte Show lobt die Zeitung denn auch als Fernsehereignis: "Das Fernsehvolk nahm Abschied von einem seiner Lieblinge in einer seiner Lieblingssendungen, und der Liebling nahm Abschied von seinem größten Publikumserfolg."
Einig sind sich fast alle Blätter darin, dass Gottschalks Nachfolger es schwer haben wird. Für jeden potenziellen Nachfolger sei die Show "die Hölle", schreibt
"Bild"
, denn so viele Zuschauer hole nur er vor den Bildschirm. "Es wird immer wahrscheinlicher, dass mit seinem Abschied auch "Wetten, dass..?" stirbt. Weil sich keiner der großen Moderatoren in Gottschalks noch größere Fußstapfen traut." Sogar die
Frankfurter Allgemeine Zeitung
schwärmt vom "schier unerschöpfliches Potential" des Moderators: "Der ältere Herr ist ein positiv Denkender und voll des ansteckenden jugendlichen Elans. Und das fehlt 'Wetten, dass . .?', wenn er nicht mehr dabei ist."
Die Spekulationen um die Nachfolge von Thomas Gottschalk heizt die
"Tageszeitung"
am Montag erneut an: "Nun gilt angeblich Johannes B. Kerner als Favorit, der schon früher beim ZDF war. Der hat ja demnächst auch viel Zeit: Sein Sat.1-Magazin "Kerner" läuft nur noch bis Ende des Jahres. Außerdem hat Sat.1 die Champions-League-Rechte an das ZDF verloren und deswegen wird Kerner als Fußballexperte bei Sat.1 weniger gebraucht."
Der Abschied von Thomas Gottschalk wird uns also weiterhin begleitet. Mindestens so lange, bis ein Nachfolger gefunden oder die Sendung für tot erklärt wurde.