"Letzte Ausfahrt Sauerland" Eine chaotische Ode an das Leben

Das Schicksal schlägt manchmal regelrecht Purzelbäume, wenn es um Lebenswahrheiten geht. Oder auch um Lebenslügen. Das zeigt am Freitag der ARD-Film "Letzte Ausfahrt Sauerland" mit Heiner Lauterbach.

Ein idyllischer See, eine hübsche Sommerlandschaft, die Sonne scheint - so harmlos beginnt der ARD-Film "Letzte Ausfahrt Sauerland", der am Freitag um 20.15 Uhr zu sehen ist. Doch dann fallen plötzlich Schüsse, ein paar verschreckte Radler kehren ganz schnell um. In die Luft geschossen hat Horst (Heiner Lauterbach), der sich in seinem Wohnwagen von den lärmenden Touristen gestört fühlt. Sein Freund Johann (Friedrich von Thun) hat für dieses Verhalten keinerlei Verständnis - betreiben beide doch einen kleinen Bootsverleih und sind auf gut gelaunte Touristen angewiesen.

Die beiden sind schon ziemlich schräge Vögel - auch rein äußerlich. Johann ist ein garstiger Eigenbrötler und sieht aus wie ein zerlumpter Clochard. Horst ist ein miesepetriger, versoffener Kauz. Sein heftiges Husten deutet auf eine schwere Krankheit hin, doch hat er bislang jede Untersuchung kategorisch abgelehnt.

Flucht im Leichenwagen

Erst als ihm seine Tochter Lisa (Annika Kuhl) eine Falle stellt und ihn in ein Frankfurter Krankenhaus lockt, stellt sich heraus, dass er unheilbar an Lungenkrebs erkrankt ist. Lisa hat er schon viele Jahre nicht mehr gesehen, und nun lernt er endlich seinen 17-jährigen Enkel Elyas (Emilio Sakraya Moutaoukkil) kennen. Dann geht alles drunter und drüber: Horst und Johann flüchten aus dem Krankenhaus, klauen einen Leichenwagen (samt Sarg und Leiche), entführen kurzerhand auch noch Elyas und kutschieren fortan mehr oder weniger fröhlich durch die Gegend.

Heiner Lauterbach (62, "Tannbach") erzählte in Hamburg im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur über den Film: "Es ist eine Ode an das Leben, denn der Film hat trotz aller Melancholie etwas sehr Lebensbejahendes. Es ist umso schöner, wenn eine Geschichte irgendwann kippt, denn das ist ja für den Zuschauer viel spannender."

Freundschaft, Liebe und Tod

Friedrich von Thun (72, "Die Pilgerin") ergänzte: "Es ist ein Film über eine tiefe Freundschaft, der von Liebe und Tod handelt und - Gottseidank! - nicht versucht, ein Kriminalfilm zu sein." Thun sieht einen Trend: "Ich freue mich, dass jetzt vermehrt solche lebensnahen Stoffe verfilmt werden, die den Zuschauer da abholen, wo er vielleicht gerade selbst steht."

Und Emilio Sakraya Moutaoukkil (18, "Bibi & Tina: Voll verhext") freut sich über "eine Geschichte mitten aus dem Leben, ohne großes Theater oder unnötiges Herumgelaber. Ich finde es schon mutig, solch einen Film zu machen, denn ich bin nicht wirklich ein Fan von ARD oder ZDF, weil die Programme dort einfach nicht meine Welt sind. Ich glaube, der Film hat ganz viele Messages. Vielleicht nimmt sich der eine oder andere Zuschauer ein Beispiel an der Geschichte und überdenkt sein eigenes Leben."

Keine typischen Opa-Enkel-Gespräche

Der Film bietet endlich mal kein Erzählfernsehen - man bekommt eben nicht alles nochmals erklärt, was man ohnehin schon sieht. Er ist auch nicht farbenentsättigt, sondern darf ganz in schattierenden Erdfarben schwelgen. Die ewig dudelnde Countrymusik nervt etwas, doch das Lied von Rio Reiser entschädigt dann wieder. Und der schwarze Bentley ist auch als Cabrio (das Dach kommt unterwegs abhanden) ein ausgesprochen stilvoller Leichenwagen.

Heiner Lauterbach und Friedrich von Thun haben schon viel gemeinsam gedreht (zum Beispiel "Harms", ebenfalls von Regisseur Nikolai Müllerschön) und agieren hier als gut eingespieltes Team mit zwei knorrigen Eigenbrötlern, in dem der junge Emilio Sakraya Moutaoukkil in seiner ersten großen TV-Rolle fabelhaft mithalten kann. Es gibt keine typischen Opa-Enkel-Gespräche, der Grundtenor des Films ist sarkastisch bis verschroben. Das muss nicht jedem gefallen, doch der Film ist spannend, unterhaltsam und ein echtes Highlight im TV-Einerlei.

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Klaus Braeuer/DPA

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