"Tatort"-Kritik Leipziger Allerlei mit Nierchen

Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) verhören die Ehefrau des Mordopfers (Sophie von Kessel)
Andreas Keppler (Martin Wuttke) und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) verhören die Ehefrau des Mordopfers (Sophie von Kessel)
© Steffen Junghans/MDR
Prostitution, Organhandel, Korruption in der Bauwirtschaft, gefälschte Arbeitsgenehmigungen - das sind nur einige der Themen, die das Leipziger "Tatort"-Ermittlerduo zu bewältigen hatte. Bei so viel Verwirrung blieb dem Zuschauer nur eines übrig: sich an die einfachen Wahrheiten zu halten.

Der bekannteste Schauspieler ist der Mörder: Diese für 90 Prozent aller Fernseh-Krimis geltende Faustregel bewahrheitete sich auch bei dem aktuellen Leipzig-"Tatort". Helmut Zierl ragte aus dem mit Steffi Kühnert und Sophie von Kessel ohnehin schon erstklassig besetzten Schauspieler-Ensemble heraus. Das machte ihn von Anfang an verdächtig. Dann war der von ihm gespielte Hotelbesitzer Stein lange Zeit der einzige, der kein Mordmotiv zu haben schien. Damit war er quasi überführt: Denn der geübte "Tatort"-Gucker weiß: Der wahre Täter gerät erst in der Schlussviertelstunde ins Visier der Polizei.

Für den Zuschauer daheim also ein leichter Fall. Nicht so für das Leipziger Ermittlerduo Saalfeld und Keppler. Die tappten lange im Dunkeln. Zu viele Nebenstränge wurden ihnen vom Drehbuch mit auf den Weg gegeben, die sie brav abarbeiten mussten, ehe sie sich dem wahren Mörder zuwenden durften.

Drohbrief aus der Baubranche

Der Amtsleiter Armin Lohmann ist tot aufgefunden worden. In der Mordnacht hatte er ein junges Mädchen mit zu sich nach Hause gebracht. So fällt der erste Verdacht auf eine Eifersuchtstat seiner Ehefrau Katrin (Sophie von Kessel). Doch schnell tritt ein weiterer Verdächtiger auf den Plan: Der Bauunternehmer Stefan Rose (Arved Birnbaum) hatte Lohmann kurz vor seinem Tod einen Drohbrief geschrieben - denn der Amtsleiter verweigerte einem großen Bauvorhaben seine Zustimmung, das Roses Firma ausführen sollte.

Kurz darauf wird die Leiche der nächtlichen Besucherin gefunden: Es handelt sich um die junge Tschechin Alena. Damit führt eine weitere Spur zu dem Zeitarbeitsunternehmen "Rapid", wo sie als Leiharbeitskraft angestellt war. Von dort aus gelangen Keppler und Saalfeld in das "Hotel Elster", wo die junge Tschechin für einen Hungerlohn als Zimmermädchen schuften musste. Hat sie etwa auch als Prostituierte gearbeitet? Hotelbesitzer Jörg Stein (Helmut Zierl) will von all dem nichts wissen.

Eifersucht, Korruption in der Bauwirtschaft, Ausbeutung in der Zeitarbeitsbranche: Das allein hätte ja schon für einen komplexen Fall gereicht. Doch Drehbuchautorin Simone Schneider wollte unbedingt noch mehr unterbringen, frei nach dem Motto: Wieviele Themenfelder passen in einen "Tatort"?

Und so wurde der Fall mit weiteren - für die Geschichte überflüssigen - Details vollgestopft: So war die Besitzerin der Leiharbeitsfirma mit der Sekretärin des ermordeten Amtsleiters befreundet, die ihr gefälschte Arbeitsgenehmigungen lieferte. Die Ehefrau des Ermordeten schluckte Tabletten in rauen Mengen, weil das Haus an einer Einflugschneise des Leipziger Flughafens lag. Der toten Tschechin wurde vor Jahren eine Niere entfernt - womit ganz nebenbei der Themenkomplex Organhandel ins Spiel kommt. Aber die tote Tschechin war ja in Wirklichkeit eine Russin, die ihren Pass von einer Tschechin geschenkt bekommen hat, die einen deutschen Mann geheiratet hat.

Der Filmstudent und die Internet-Pornos

Damit aber nicht genug: Es gibt da noch den Neffen des Hotelbesitzers Stein, der sein Filmstudium in Prag abgebrochen hat und seine filmische Karriere jetzt als Regisseur von Pornofilmchen fürs Internet fortsetzt. Diese Spur führt schließlich zu dem wahren Täter: Denn Hotelier Stein ist nicht der Saubermann, für den ihn in Leipzig alle halten: Einige Jahre zuvor wurde er in Dresden in einem Kinderbordell erwischt. In Leipzig wollte er einen Neuanfang wagen - eine illegal arbeitende Prostituierte in seinem Hotel schadete da nur. So musste er sie und den Amtsleiter - der davon Wind bekommen hatte - aus dem Weg räumen.

Nachdem Keppler und Saalfeld zuletzt eine sehr stringente und gelungene Geschichte über das Thema häusliche Gewalt abgeliefert haben, ist dieser zerfahrene Fall eine herbe Enttäuschung. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen.

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