- 4 von 5 Punkten
- Ein sehr skandinavischer Krimi aus Kiel
Worum geht's?
Im Haus des Pfarrers Johann Flemming (Martin Lindow) geht es streng und freudlos zu. Zwischen den Familienmitgliedern scheint ein unausgesprochenes Geheimnis zu bestehen, dazu behandelt der Geistliche seinen Vater wie ein kleines Kind und schließt ihn in sein Zimmer ein, wenn er das Haus verlässt. Die ganze verkorkste Familienkonstellation bricht auf, als eines Abends der achtjährige Sohn des Geistlichen den Kommissaren Klaus Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) vors Auto läuft. Der Junge wirkt verwirrt und behauptet, sein Großvater läge tot im Wald und ein Indianer habe ihn vor einem Hund beschützt. Borowski findet zwar zunächst keine Leiche, dafür aber ein Boot, das in der Bucht ankert. Es trägt den Namen "Arken" - und führt direkt zu dem dunklen Geheimnis der Familie Flemming.
Warum lohnt sich dieser "Tatort"?
Der von den 68ern initiierte gesellschaftliche Aufbruch hat viele positive Impulse mit sich gebracht - aber auch einige schreckliche Verirrungen. Dazu zählen krude Vorstellungen von kindlicher Sexualität, die einige Reformpädagogen vertreten haben. Eine Lehre, die auch der alte Heinrich Flemming in jungen Jahren verbreitet hat: Ein Mädchen, das ihren Lehrer begehrt, darf von diesem nicht zurückweisen, heißt es in seinem Buch. Wie gefährlich solche Annahmen und "Erziehungsexperimente" waren, zeigt sich noch heute, etwa bei den Missbrauchsfällen an der Odenwaldschule.
Diese Folge liefert aber keine einseitige Abrechnung mit dieser Bewegung. Insbesondere Borowski will das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Viele der Ideale seien doch gar nicht so schlecht gewesen, beharrt er, und nennt die Erziehung zur Mündigkeit und Eigenständigkeit sowie den Bruch mit einer rein auf Gehorsam trimmenden Aufzucht.
Was stört?
Immer wenn es geheimnisvoll werden soll, dröhnt das Didgeridoo. Dann steht irgendwo ein Indianer in der Landschaft rum und ein Hund schleicht bedrohlich durchs Geäst: In einigen Szenen übertreibt es "Borowski und das Haus am Meer" mit dem Atmosphärischen. Das hätte der starke Fall (Buch und Regie: Niki Stein) gar nicht nötig gehabt.
Die Kommissare?
Im Gespräch über die Reformpädagogik der 70er Jahre verrät Borowski ein Geheimnis aus seiner eigenen Jugend. Die Schüler hätten zu jener Zeit ständig mit Lehrern über das Thema Sexualität diskutiert, erzählt der Kommissar. "Ja, diskutiert vielleicht, aber Sie haben doch nicht mit Ihrer Lehrerin geschlafen", entgegnet Mila Sahin. Borowskis vielsagende Antwort: "Wenn Sie mich so direkt fragen ..."
Ein- oder Ausschalten?
Trotz einiger Schwächen ist dies eine sehenswerte "Tatort"-Folge. Lohnt sich auch als Wiederholung.
Der "Tatort: Borowski und das Haus am Meer" wurde erstmals am 15. Dezember 2019 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt den Fall am Freitag, 20. Mai, um 22.15 Uhr.