"Tatort"-Wiederholung aus Köln Die im Dunkeln sieht man nicht: ein Krimi über die Wohlstandsverlierer

"Tatort" aus Köln
Monika Keller (Rike Eckermann) und Ella Jung (Ricarda Seifried, r.) leben auf der Straße. Der "Tatort" aus Köln widmet sich Menschen, die durchs Raster gefallen und ganz unten gelandet sind.
© WDR/Martin Valentin Menke / ARD
Dieser "Tatort" ist mehr Sozialdrama als Krimi: Durch den Mord an einer Obdachlosen ermitteln die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk unter Menschen, die auf der Straße leben – und lernen bedrückende Schicksale kennen.
  • 5 von 5 Punkten
  • Der Kriminalfall tritt zugunsten eines sensibel erzählten Sozialdramas in den Hintergrund 

Worum geht's?

"Ich heiße Ella. Ich habe eine Wohnung, einen Job, einen Mann. Jetzt wird alles gut. Daran habe ich wirklich geglaubt." Die junge Frau (Ricarda Seifried), die das sagt, hat gerade ihren prügelnden Mann und ihr Zuhause verlassen. Jetzt lebt sie in Köln auf der Straße, schlägt sich mit anderen Frauen durch. Eine von ihnen, Monika (Rike Eckermann), wird kurz darauf tot unter einer Rheinbrücke gefunden. Bei ihrem Versuch, das Verbrechen aufzuklären, lernen die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) die Schicksale weiterer Frauen kennen, die obdachlos geworden sind.

Warum lohnt sich dieser "Tatort"?

Die Altenpflegerin, die trotz Vollzeitstelle im Auto schlafen muss, da sie wegen ihrer Schufa-Auskunft keine Wohnung bekommt. Die Ehefrau, die lieber im Freien pennt, als sich noch einen Tag länger von ihrem Ehemann prügeln zu lassen. Das Seniorenpaar, das im Dunkeln verschämt nach Pfand sucht, weil die Rente einfach zum Leben nicht reicht. Armut hat in Deutschland viele Gesichter.

Die "Tatort"-Folge "Wie alle anderen auch" zeigt, wie schnell es manchmal gehen kann, um aus dem bürgerlichen Leben direkt auf die Straße durchgereicht zu werden. Und mit welchem Unverständnis die Gesellschaft auf die dort Gestrandeten oft reagiert. "Warum?" – immer wieder sehen sich Obdachlose mit dieser Frage konfrontiert. Als seien sie in jedem Fall an ihrem Schicksal selbst schuld. Der sensibel erzählte Film (Buch: Jürgen Werner, Regie: Nina Wolfrum) legt ein besonderes Augenmerk darauf, wie hart dieses Leben insbesondere für Frauen ist: Neben den Entbehrungen sind sie auch noch sexueller Gewalt ausgesetzt.

Was stört?

Der Kölner "Tatort" wird oft für seinen Hang zur mit erhobenem Zeigefinger vorgetragenen Sozialkritik gescholten. "Wie alle anderen auch" ist anders: Dieser Film benutzt das Schicksal Obdachloser nicht als Recherchemasse, um daraus einen Kriminalfall zu stricken, sondern gibt den Schicksalen der Frauen Raum, nimmt ihre Geschichten ernst. Kurzum: Hier stört ausnahmsweise nichts.

Die Kommissare?

Der vorlaute Assistent Jütte (Roland Riebeling) muss mal wieder zum Jagen getragen werden: "Sinnlose Arbeit kann einen ja depressiv machen", mault der Faulpelz. Und doch beweist er bei seinen Ermittlungen ein großes Maß an Mitmenschlichkeit und Empathie – während sich Ballauf und Schenk bei ihrem Vorgehen allein von Paragraphen leiten lassen.

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Ein- oder ausschalten?

Jeder, der diesen "Tatort" auf seinem heimischen Sofa schaut, sollte Dankbarkeit verspüren. Sich seiner Privilegiertheit zumindest für einen Abend bewusst zu werden. Allein dafür lohnt das Einschalten – auch in der Wiederholung.

Die "Tatort"-Folge "Wie alle anderen auch" wurde erstmals am 21. März 2021 ausgestrahlt. Die ARD wiederholt den Fall am Sonntag, 25. Juni 2023 um 20.15 Uhr.

Die Kommissare Ballauf und Schenk ermittelten zuvor in diesen Fällen:

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