Der Vampir und die Heilige Maria liegen eng umschlungen auf seiner Couch, er zieht ihr langsam das Kleid aus, sie küssen sich, es knistert. Was nach dem Höhepunkt einer schlechten Liebeskomödie klingt, ist die Anfangssequenz einer differenzierten TV-Produktion, die das Erste als "Love Noir"-Psychodrama ankündigt.
Mit dem Sechsteiler "Naked" wagt sich die vom WDR beauftragte Serie an ein gesellschaftliches Tabuthema: Es geht um Sexsucht, es geht um Co-Abhängigkeit und es geht um die Frage, was diese seit 2019 von der WHO anerkannte Krankheit mit den Betroffenen macht. Das Drehbuch der Headautorin Silke Eggert basiert nach Angaben der ARD auf ihren persönlichen Erfahrungen. Regie führte Bettina Oberli.
In der ARD-Mediathek ist die Serie schon abrufbar, im Ersten sind am Freitag (3. Oktober) ab 23.45 Uhr und in der Nacht auf Sonntag (5. Oktober) ab 00.55 Uhr je drei Folgen zu sehen.
Der Traum wird zum Alptraum
Es beginnt alles mit einer Karnevalsparty in Köln. Marie (Svenja Jung) und Luis (Noah Saavedra) lernen sich auf der Tanzfläche kennen, er als Vampir verkleidet, sie als Heilige Maria. Die Wahl der Kostüme gibt eine Vorahnung darauf, was den Zuschauer erwartet. "Was als Traum von der großen Liebe beginnt, entwickelt sich zunehmend zum Alptraum. Denn: Luis ist süchtig nach Sex. Und Marie ist süchtig nach Luis", heißt es in einer Mitteilung der ARD.
Schon zwei Stunden nach ihrer ersten Begegnung liegen sie nackt in seinem Bett und verbringen eine aufregende Liebesnacht. Marie ist sofort verliebt. Doch sie spürt früh, dass mit Luis etwas nicht stimmt. Zwar ist er zum ersten Mal richtig verliebt. Doch der grenzüberschreitende Sex mit Marie reicht ihm nicht annähernd. Tag und Nacht kämpft er gegen seine Fantasien. In der Folge schwankt er zwischen Distanz und Nähe, was für Unsicherheit bei Marie sorgt.
Erst ab 16 Jahren freigegeben
Die Serie besticht durch eine eindringliche Bildsprache, starke schauspielerische Leistungen und ein Drehbuch, das sich dem schwierigen Thema mit authentisch gezeichneten Figuren nähert, ohne den Eindruck der Lächerlichkeit entstehen zu lassen. Einige Liebesszenen sind ungewöhnlich explizit, was auch ein Grund dafür sein dürfte, weshalb die Serie in der Mediathek erst ab 16 Jahren freigegeben ist. Gerade die Hauptfigur Luis wird jedoch nicht klischeehaft überzeichnet, sondern als verletzlicher Mensch mit Brüchen gezeigt. Hierin liegt die große Stärke der Serie.
"Wir wollten vor allem das Gesicht und die Wahrheit hinter der Fassade erzählen", sagte die WDR-Redakteurin Caren Toennissen, die an der Entstehung der Serie beteiligt war. "Wichtig und herausfordernd war in diesem Kontext dann auch, die Idee von "Heilung" zu erzählen. Dass das eben immer auch eine Option ist. Sicher ein schwerer, langer, schmerzhafter Weg, der nicht immer gelingt. Aber definitiv einer, für den man sich dennoch entscheiden kann."