Vor ein paar Tagen spielten sie in der US-Comedy-Show "Saturday Night Live" die zweite Debatte zwischen Barack Obama und John McCain nach. Jene Debatte also, bei der die Herren Präsidentschaftskandidaten von Menschen aus dem Volk befragt worden waren. Mr. Obama und Mr. McCain wurden sehr hübsch imitiert, ebenso der Moderator Tom Brokaw, der mit originalgetreuer, knurrig-tiefer Stimme ankündigte: "Die nächste Frage kommt von William Murray." In einer der Zuschauerreihen erhob sich der Schauspieler Bill Murray ("Lost in Translation"), der an diesem Abend einen Mann aus dem Volke gab, und fragte die Kandidaten nach den Chicago Cubs.
Die Chicago Cubs sind berühmt dafür, das glückloseste Baseball-Team der Vereinigten Staaten zu sein. Sie sind so etwas wie der Schalke 04 von Amerika, denn die Cubs verlieren gern dann, wenn es darauf ankommt. So war es auch kürzlich wieder: Nach einer meisterlichen Saison standen sie in den Play-Offs der Major League Baseball - und schieden glanzlos in Runde eins aus. Bill Murray wollte nun wissen: "Wenn Sie Präsident wären, wie könnten Sie garantieren, dass den Chicago Cubs so etwas nie wieder passiert?" Im Studio wurde natürlich mächtig laut gelacht, und es gab großen Applaus für Bill Murray.
Den hat "Saturday Night Live" einst berühmt gemacht: Ende der siebziger Jahre gehörte Murray zum Ensemble der Comedy-Show, gemeinsam mit Dan Aykroyd und John Belushi. "Saturday Night Live", das ist so etwas wie die Mutter aller Comedy-Shows. Die Sendung, die bei NBC ausgestrahlt wird, bringt seit mehr als drei Jahrzehnten komische Menschen hervor. Doch selten war sie so populär wie in diesem Herbst, in dem Amerika gespannt den Präsidentschaftswahlkampf verfolgt.
Die Quoten sind um 50 Prozent gestiegen, bis zu zehn Millionen Menschen schalten samstags um 23.30 Uhr ein zur Kandidaten-Parodie. Und weil es so gut läuft, ist die Show neuerdings mehr als einmal die Woche zu sehen: Bis zur Wahl sendet "Saturday Night Live" ein paar Sonderausgaben - zur Primetime am Donnerstagabend.
Geschenk Gottes
Der Hit ist Sarah Palin, die Möchtegern-Vizepräsidentin von John McCain, die im Wahlkampf ungewollt komisch aufgetreten ist und bei "Saturday Night Live" grandios von Tina Fey dargestellt wird. Ihr Running-Gag ist Mrs. Palins berühmte Bemerkung über ihre außenpolitischen Erfahrungen: Dass die Dame von ihrem Haus in Alaska aus Russland sehen könne, kommt immer wieder gut an. Auch dass sie nicht wusste, was die Bush-Doktrin ist, wird gerne erwähnt. Und Tina Fey als Sarah Palin ist natürlich auch im Internet beliebt: Ihre Parodie von Palin, dem selbsternannten "Pitbull mit Lippenstift", im Interview mit Katie Couric, der Nachrichtenmoderatorin von CBS, wurde bei nbc.com und Youtube mehr als zehn Millionen Mal angeklickt. Das Original im Fernsehen hatten gerade mal eine Million Zuschauer gesehen.
"Ich glaube, Gott hat gelächelt, als er uns Sarah Palin gab", sagt Lorne Michaels, Erfinder und Produzent von "Saturday Night Life". "Es gab noch keine Wahl, bei der wir so im Zentrum der Aufmerksamkeit standen wie dieses Mal. Für uns ist das großartig: Wir geben alle unser Bestes." Auch die Late Night Shows des Spartensenders Comedy Central erleben derzeit einen Boom: Die "Daily Show with Jon Stewart" beispielsweise hat nun im Schnitt fast zwei Millionen Zuschauer, so viele wie niemals zuvor. "Die Menschen sind furchtbar aufgeregt wegen der Wahl", sagt Stewart, "das elektrisiert die Comedy-Welt".
Besonders beim jüngeren Publikum konnten die Comedy-Shows zulegen: Vor einem Jahr noch hatte "Saturday Night Live" 1,4 Millionen Zuschauer zwischen 18 und 34, jetzt sind es 2,1 Millionen. Das Publikum der "Daily Show" besteht zu einem Viertel aus jungen Männern. "Nie war das Interesse an einer Wahl bei jüngeren Leuten so groß", sagt Michele Ganeless, Präsident von Comedy Central.
Überstunden für die Wahl
Das außergewöhnlich große Interesse verlangt außergewöhnliche Maßnahmen: Die "Daily Show" und der "Colbert Report" haben eine Urlaubswoche abgesagt, die für diese Tage geplant war, und senden durch. "Wir sind selten gut beschäftigt", sagt Jon Stewart, der seine Show in der Wahlnacht am 4. November live moderieren und nicht vorher aufzeichnen wird. Auch David Letterman macht in diesen Wochen Überstunden: Die Freitagsausgabe seiner "Late Show" wird normalerweise schon montags aufgezeichnet, da der Chef freitags gern frei hat. Vorletzten Freitag aber erschien Mr. Letterman im Studio, um die Debatte zwischen Sarah Palin und Joe Biden aktuell in seiner Show zu verarzten, denn die hatte erst am Donnerstag stattgefunden - und war von 70 Millionen Amerikanern live im Fernsehen verfolgt worden.
"Besser geht es nicht für uns", sagt Seth Meyers, Chefautor von "Saturday Night Live". Die Parodie des Duells "Palin vs. Biden", so Meyers, "dauerte bei uns elfeinhalb Minuten. Einen derartig langen Sketch könnten wir niemals bringen, wenn nicht so viele Menschen das Original gesehen hätten und wüssten, wovon wir reden."