Der Weinberg liegt im Nebel. So wie das Gedächtnis des Mannes, der mit blutverschmiertem Gesicht im Matsch aufwacht. Er blickt auf, sieht ein paar Ameisen an einem Bein emporwandern. Über einer Rebe hängt eine junge Frau. Sie war mal Weinkönigin. Jetzt ist sie tot. Verwirrt torkelt der Wanderer, der sich Johannes Fuchs nennt (so genau weiß er das auch nicht mehr), ins nahelegende Dorf. In der Kneipe empfängt ihn eine Atmosphäre der Verschwiegenheit und der Selbstjustiz. Bürgermeister und Gastwirt Zepter (Arved Birnbaum), Dorfoberhaupt und so etwas wie der Pate des Ortes, weist den Fremden zurecht: "Nix da Polizei, ich bin die Polizei! Wir regeln die Dinge hier lieber selbst." Es ist der Beginn eines verwobenen Spiels, um die Wahrheit, um die Lüge, um das Leben oder was man dafür hält. Niemand in Kaltenzell scheint unverdächtig und ohne Schuld zu sein.

Der Serienclub
TV-Serie schlägt Buch, wenn es um unsere Freizeitgestaltung geht – so geht das mittlerweile ziemlich häufig. Denn: Ein Gros der Serien bietet so viel mehr als Zerstreuung. Sie sind auch Pop und Politik. Sind Thema auf der Dinnerparty und am Badesee. Und meist sind sie auch nur einen Klick entfernt, Tag und Nacht zu konsumieren. Unter dem Label "Serienclub" stellen wir Ihnen Neuheiten und unsere Lieblinge vor, wir wollen untereinander diskutieren oder Ihnen die Fakten für den gelungenen Partysmalltalk verraten.
Die sechsteilige Serie "Weinberg", eine ambitionierte deutsche Eigenproduktion, macht vieles richtig. Sie sucht in einem typisch deutschen Setting, im scheinbar heimeligen, harmonieverliebten Winzer-Deutschland, die kleinen, fiesen menschlichen Abgründe und versucht die Geschichte mit typischen Mitteln amerikanischer Serien zu erzählen. Es gibt keine Figur, die einen abholt. Selbst der vermeintliche Held, Johannes Fuchs, ist nicht frei von Dämonen. Und so bekommt man auch schnell Zweifel an seiner Version des Verbrechens. Die Weinkönigin ist nämlich gar nicht tot, sie begegnet ihm abends auf einem Fest, um dann tatsächlich ein paar Stunden später zu verschwinden.
Die Macher von "Weinberg", sie müssen große "Twin Peaks"-Fans sein - und das ist nicht die schlechteste Referenz, um eine neue aufregende Serie auf die Beine zu stellen. Wie lohnenswert es sein kann, eine kleine, verschworene Gemeinschaft zum Thema zu machen, in der jeder den anderen besser zu kennen scheint als sich selbst, zeigte schon die grandiose britische Serie "Broadchurch". "Weinberg" ist noch eine Spur düsterer und wagt dazu einen Schritt ins Genre des Übernatürlichen. Dass solche Geschichten ausgerechnet in einem kleinen deutschem Weindorf funktionieren können, ist der eigentliche große Verdienst der Serie.
"Weinberg", sechs Teile, ab 6. Oktober um 21.10 Uhr auf TNT Serie unter anderem bei Sky, unitymedia oder Kabel Deutschland