Die Geschichte von Giulio Ferrari tönt wie eine Heldensage. Ein Einzelgänger, der loszog, um den Franzosen den Champagner abspenstig zu machen – erst verhöhnt, dann bewundert. Heute gilt Ferrari als Pionier der italienischen Schaumweinproduktion. Ihre Familie, Frau Lunelli, hat das Unternehmen Ferrari Trento einst von ihm übernommen. Hand aufs Herz: War es wirklich Giulio, der die Chardonnay-Traube nach Italien brachte?
Ja, das ist wahr! Ursprünglich war Giulio Ferrari ein Baumschuler. In diesem Job arbeitete er auch noch, nachdem er begonnen hatte, Schaumwein zu produzieren. Ihm gelang es, ausgehend von seinen mitgebrachten Rebstöcken, die Chardonnay-Traube zu verbreiten – nicht nur in seinen eigenen Weinbergen, sondern in ganz Italien, da er die Reben auch an andere Erzeuger verkaufte.
Alles fing mit ein paar Rebstöcken an. Inzwischen aber ist das Trentino zur führenden Schaumweinregion Italiens geworden und Ferrari Trento hat sich von der Experimentierkellerei zum Global Player entwickelt. Im Jahr 2018 hat das Unternehmen einen Umsatz von 100 Millionen Euro erzielt.
Das Unternehmen ist immer stetig gewachsen. Aber von 2015 bis heute ist das Wachstum exponentiell. 2020 kam es durch die Corona-Pandemie offenkundig zu Einbrüchen, aber 2021 konnte sich das Unternehmen davon vollständig erholen und einen historischen Rekord aufstellen. In Flaschen gemessen konnten wir einen Zuwachs von 5,4 Millionen Flaschen im Jahr 2018 auf 6,8 Millionen in 2021 verzeichnen. Und auch 2022 lief es für Ferrari Trento erstaunlich: Das ganze Jahr über verzeichneten wir ein zweistelliges Wachstum. Erst jetzt im Dezember verlangsamt es sich, da uns die meisten Label ausgegangen sind.
Ups. Sie sind ausverkauft?
Tatsächlich wissen wir jedes Jahr im Voraus, wie viele Ferrari-Flaschen für den Markt verfügbar sind. 2021 und 2022 hat die Kellerei bewusst den Verkauf bestimmter Label limitiert. So sind zum Beispiel der Ferrari Maximum Blanc de Blancs und die meisten Trentodocs des Jahrgangs 2022 komplett ausverkauft. Der Umsatzeinbußen sind wir uns bewusst. Unser wichtigstes langfristiges Ziel besteht aber darin, die Qualität auf einem hohen Niveau zu halten. Da machen wir keine Kompromisse.
Die Nachfrage nach Champagner ist derzeit riesig. Der Konkurrent Moët Hennesy meldete kürzlich, dass ihm die Vorräte ausgehen und sein Keller sich rasch leert.
Wir erleben einen ähnlichen Run. Ich glaube, ein Grund für die hohe Nachfrage ist, dass wir alle wegen Corona so lange in unseren Häusern eingeschlossen waren und die Leute jetzt, da sie wieder zusammen sein können, feiern wollen! Und Schaumweine, einschließlich Champagner, sind einfach die besten Weine zum Feiern und Anstoßen.
Die Absatzzahlen stiegen aber bereits vor der Pandemie.
Schaumweine steigen im Ansehen mehr und mehr und gelten als speisefreundliche Weine. Auch immer mehr Frauen, die einen wachsenden Anteil an den Weintrinkern ausmachen, schätzen Schaumweine. Sie sind modern, leicht zu trinken und werden immer häufiger als Begleitung zum Essen gewählt, da sie sehr vielseitig mit Speisen kombiniert werden können.
In Trient, nicht weit vom Unternehmenssitz entfernt, wachsen die Ferrari-Trauben. Sie wachsen in hohen Lagen, umrahmt von Bergen. Es ist ein idyllischer Ort, zu dem auch die Villa Margon gehört, ein Landgut aus dem 16. Jahrhundert. Doch was dort produziert wird, sind Peanuts, gemessen an der jährlich benötigten Gesamtmenge. Woher kommen die ganzen Trauben?
Der größte Teil der Trauben stammt von rund 700 Winzern im Trentino, die seit Jahren eng mit uns zusammenarbeiten. Unsere Weinberge befinden sich in den am stärksten besiedelten Gebieten des Trentino, dazu gehören auch neue Gebiete. Erst in den letzten zwei Jahren haben wir Maso Prada, einen 20 Hektar großen Weinberg, in einem Berggebiet angelegt, in dem vorher kein Weinbau betrieben wurde. Unsere eigenen Trauben verwenden wir für die Jahrgangs- und die Reserve-Weine.
700 Zulieferer? Wie garantieren Sie bei so vielen Lieferanten eine gleichbleibend gute Qualität?
2014 haben wir das Protokoll "Ferrari Trento Weingut, für einen gesunden, nachhaltigen Weinbau in den Bergen" erstellt, das nicht nur die Anforderungen an die Qualität der Trauben festlegt, sondern auch einen sehr hohen Standard für Nachhaltigkeitsmaßnahmen setzt.
Wird das überprüft oder handelt es sich am Ende nur um einen Papiertiger?
Ein Team von acht Agronomen arbeitet täglich mit den Winzern zusammen, um zu gewährleisten, dass das Protokoll eingehalten wird. Sie sorgen auch dafür, dass von der Weinlese qualitativ hochwertige Trauben in der Kellerei ankommen.
Die Klimakrise verändert den Weinbau. Die Winzer klagen über zu heiße, zu trockene Sommer. Die Trauben werden viel früher reif. Machen Sie sich Sorgen um Ihren Betrieb, wenn Sie in die Zukunft blicken?
Die Klimakrise macht uns, wie so vielen anderen in unserer Branche auch, Sorgen. Die Landwirtschaft und diejenigen, die in ihr tätig sind, sind die ersten, die vom Klimawandel betroffen sind. In den letzten Jahren beobachten wir immer öfter extreme Klimabedingungen wie plötzliche Temperaturwechsel und höheres Hagel- und Frostrisiko. Wir sehen es als unsere Pflicht an, zu versuchen, einen positiven Beitrag zu leisten. Wir betreiben ökologische Landwirtschaft, mit Blick auf Biodiversität. Tatsächlich sind alle unsere Weinberge als bio- und biodiversitätsfreundlich und unser Weingut als kohlenstoffneutral zertifiziert.
Und was tun Sie konkret, um Ihren Weinbau für die neuen Wetterbedingungen fit zu machen?
Die wichtigste Maßnahme, um unseren Weinbau an die neuen Wetterbedingungen anzupassen, ist, Trauben aus höher gelegenen Weinbergen zu beschaffen. Wir pflanzen neue Weinberge an den Berghängen und wählen die Weinberge externer Winzer nach ihrer Lage aus.

Wächst so weit oben überhaupt noch was?
Diese höher gelegenen Weinberge haben zwar einen geringeren Ertrag und sind oft schwer zu erreichen, aber sie bringen Trauben hervor, die der Qualität entsprechen, die wir für unsere Weine wünschen. Die Trentodoc-Traube muss einen hohen Säuregehalt aufweisen, damit sie eine längere Reifezeit und allgemeine Eleganz im Glas garantieren kann. Je wärmer das Wetter wird, desto höher muss Ferrari Trento also steigen, um die perfekte Traube zu erzeugen.
Champagner steht für Luxus, für Spitzenqualität. Schaumwein hingegen hat immer noch Supermarktflair. Würden Sie, wenn Sie es dürften, auch lieber Champagner auf die Flaschen schreiben?
Nein, denn ich bin sehr stolz auf unsere italienische Identität, unser Terroir und auf all das, was die Weinkellerei in den letzten 120 Jahren erreicht hat. Das zeigt ja auch die unglaubliche Palette an Preisen und Auszeichnungen, die Ferrari erhalten hat.
Rein wirtschaftlich gedacht, würde das aber doch noch einmal einen gewaltigen Unterschied machen, oder?
Mir ist bewusst, dass Champagner oft als der Inbegriff von Luxus angesehen wird und mit dieser Wahrnehmung geht ein höherer Preis einher als bei anderen Schaumweinen auf der Welt mit dem gleichen Qualitätsniveau. Aber wir sind sehr stolz auf unser Preis-Leistungs-Verhältnis.
Mal ehrlich, was unterscheidet Champagner von Ihrem italienischen Schaumwein, abgesehen vom Herkunftsland?
Sowohl die Trauben, die in der Champagne und im Trentodoc verwendet werden – hauptsächlich Chardonnay und Pinot Noir – als auch die Herstellungsmethode sind die gleichen. Der Unterschied zwischen unserem Schaumwein und französischem Champagner lässt sich auf das Terroir und den Weinbereitungsstil zurückführen. Die Trauben für den Ferrari Trentodoc werden an den Ausläufern der Trentiner Berge angebaut, das macht ihn einzigartig.
In der Formel 1 hat Ihr Schaumwein den Champagner bereits ausgestochen. Dort köpfen die Sieger keine Champagnerflaschen mehr, sondern solche aus Ihrem Hause...
Das war seit langem ein Traum von uns, der nun erfüllt wurde. Die Formel 1 steht für Werte wie Exzellenz und Leidenschaft, Innovation und den Blick in die Zukunft. Werte, die wir teilen und in denen sich das Unternehmen voll und ganz wiedererkennt. Wir erwarten, dass diese Partnerschaft den Bekanntheitsgrad des Unternehmens enorm steigern wird.
Ferrari Trento hatte schon immer auch einen Glamour-Faktor. In Ihrem Firmensitz hängt ein Foto, das Andy Warhol mit Gefolge an einem Tisch zeigt. Im Vordergrund steht eine Flasche Ihres Schaumweins. Wie ist die Story zum Bild?
Ah, wir lieben diese Geschichte! Andy Warhol trank Ferrari Trento bei einem Abendessen im El Toulá, einem Restaurant in Mailand, und er schmeckte ihm so gut, dass er eine Flasche Ferrari auf einen Teller zeichnete und den Besitzer des Restaurants bat, dem Hersteller den Teller zu schenken. Er ist nun in unserem Hauptsitz ausgestellt.
Das Interview wurde auf Englisch geführt und übersetzt.