Ferrari Vom Fund eines vergessenen Weins und einer Spurensuche, die in die Unterwelt führt

Historisches Bild aus dem Keller von Ferrari Trento
Viel Arbeit, wenig Erlös: Die Anfänge in den Kellern von Ferrari Trento.
© Ferrari Trento
In den Untiefen ihres Kellers haben meine Eltern einen alten Ferrari gefunden. Kein Auto, sondern Wein. Ursprung unbekannt, Optik allerdings ominös – vielleicht ein wertvolles Sammlerstück? Ich habe mich auf die Spurensuche begeben.

Es begann mit einem alten Ferrari, den meine Eltern zufällig im Keller gefunden hatten. Ein staubiges Teil, das dort versteckt hinter diversen Sportgeräten und Einmachgläsern irgendwer vergessen hatte und von dem heute niemand mehr genau sagen kann, woher es eigentlich kommt. Der Ferrari, um den es hier geht, hat (fast) nichts mit Autos zu tun. Dieser Ferrari passt in eine Flasche. Seine Geschichte ist die Geschichte dreier Italiener. Einer wollte den Franzosen den Champagner abspenstig machen, die anderen panschten sich zu zweifelhaftem Ruhm. Von einer Spurensuche, die ins Gangstermilieu führt.

Man kann sie leicht übersehen, diese eigentümliche Flasche. Schmal, mit langem Hals und Schraubverschluss erinnert sie eher an Hustensaft, denn an Wein. Wäre da nicht dieses verblichene, abgewetzte Etikett mit den sieben klanghaften Lettern, denen das Versprechen von Exklusivität innewohnt: FERRARI. Denke ich an Ferrari, dann an Enzo, klar, an schnelle Karren und die Hitze Italiens. Und ich denke an Andy Warhol, an dieses eine Schwarzweißbild, das ihn mit seiner Entourage zu Tische zeigt, eine Schampusflasche vor sich. Das Bild ist berühmt geworden, der Schampus auch. Auch er ist ein Ferrari – und alles andere als ein Werbegeschenk der Autobauer.

Als der Champagner italienisch wurde

In Italien kennt jeder Ferrari Trento. Das ist das Weingut, das den Schaumwein italienisch gemacht hat. Sozusagen. 120 Jahre ist das her. Und alles begann mit einem Mann: Giulio Ferrari. Der war bei einer Reise in der französischen Champagne durch die Weinberge gelaufen, hatte sich die Trauben angesehen, die Umgebung und war dann einer Art größenwahnsinnigem Anfall erlegen. Er wollte plötzlich, was die Franzosen schon längst konnten – einen Schaumwein höchster Qualität herstellen und das in seiner Heimat Trentino. Ein hehres Vorhaben in einer Gegend, in der 1902 der Wein vorrangig aus dem Zapfhahn kam (vino sfuso), die Chardonnaytraube eine Unbekannte war und von Flaschengärung keiner eine Ahnung hatte.

Heute wird der einst als Spinner verlachte Giulio Ferrari als Pionier gefeiert. Ferrari Trento ist zum Global Player geworden und sein Geschäft mit dem Schaumwein ein Multimillionengeschäft. Die Weine werden inzwischen in mehr als 50 Länder exportiert. Und wenn heutzutage in der Formel 1 auf dem Podium die Korken knallen, dann ist es nicht Champagner, der aus der Flasche sprudelt, sondern Ferrari-Schaumwein. 

Alte Flasche Ferrari-Wein
Hätte ja auch was wert sein können. Ist aber nur gepanschter Mist.
© privat

Ein Relikt aus Giulio Ferraris Anfangstagen?

Ist diese Flasche, die im elterlichen Keller über Jahrzehnte, man könnte sagen "reifte", etwa ein Relikt aus den Anfangstagen Giulio Ferraris? Vielleicht gar ein kostbares Sammlerstück? Ich schicke ein Bild der Flasche an Camilla Lunelli. Sie gehört gemeinsam mit Matteo und Marcello zur dritten Generation eben der Familie, die Anfang der 50er die Geschäfte von Ferrari übernahm und die Schaumweine in der Welt bekannt gemacht hat. Camilla ist im Unternehmen federführend für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und reagiert einigermaßen überrascht. So eine Flasche sehe sie das erste Mal in ihrem Leben. "Ich bin mir aber sicher, dass sie nichts mit uns zu tun hat. Markenschutz war damals nicht üblich", schreibt sie.

Ich suche also weiter, bis ich auf eine Rauferei in Ascoli Piceno im Jahr 1968 stoße. Lieferanten der dortigen Weinkeller hatten sich mit vermeintlichen Dieben wegen ein paar Säcken Zucker in die Haare bekommen, die Carabinieri griffen ein und landeten den Coup ihres Lebens. Der Zucker stand für ein viel größeres Vergehen, für zügellose Panscherei in der Weinherstellung. Der Spiegel berichtete damals von zwei Dutzend Weinfabrikanten, die später festgenommen wurden. Darunter auch zwei Männer namens Ferrari.

Giuseppe und Bruno Ferrari gehörte in Norditalien die "Casa Vinicola Ferrari", zu dieser Zeit eines der größten Weinhäuser des Landes. Sie exportierten auch nach Deutschland. Wenn einer verstand zu panschen, dann diese Halunken. Ab Mitte der 50er sollen sie massenweise Wein verkauft haben, der keiner war. Wenn überhaupt Trauben in dem Gesöff waren, dann nur zehn Prozent. Stattdessen mixten sie demnach Leckereien wie getrocknetes Ochsenblut, Pottasche, Tresterabfall, Zucker, Wasser und diverse Chemikalien zu einem Kunstwein zusammen, von dem sie laut Ermittlungsergebnis Millionen Liter jährlich verkauften. Bruno sowie seine Söhne Giuseppe und Gianfranco gehörten zu den 202 Leuten, die 1968 unter anderem wegen der Herstellung des Fake-Weins, dem Verkauf des selbigen und der Bildung einer Verbrecherorganisation in einem Mammutprozess angeklagt wurden.

Ein Blick aufs Etikett genügt, um zu wissen, dass, wie sollte es anders sein, die unsrige Flasche selbstverständlich eben nicht aus den Kellern Giulio Ferraris, sondern aus denen der legendären Panscher-Familie Ferrari stammt. Der vermeintliche Sensationsfund ist also nichts weiter als Müll. War ja klar.

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